Nur selten findet man noch Fabrikanlagen wie diese: Um 1929 erbaut, Ende der 70'er stillgelegt, liegt sie wie ein verwunschenes Märchenschloss hinter einer Mauer in einem Wald. Wobei der Wald sicher erst nach der Schließung richtig herangewachsen ist. Vandalismus-Spuren sind zum Glück keine vorhanden, zu isoliert scheint die Anlage zu liegen.
Obwohl schon vieles demontiert wurde, finden sich noch immer beeindruckende Anlagenteile mit dem rostigen Charme eines langen Betriebslebens - allen voran eine Gasverflüssigungsanlage von Linde, wohl aus dem ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts stammend.
Zwei Besuche haben noch immer nicht gerreicht, um jeden Winkel des unübersichtlichen Geländes kennenzulernen. Eine Kläranlage und ein modernes Gasometer zeugen davon, dass das Areal auch heute noch genutzt wird - und das nicht nur von einem Bauern, der die alten Salz-Lagerhallen als Abstellplatz für seine Geräte benutzt. Unheimlicher sind da schon zischende und glucksende Leitungen, die in einer verfallenen Halle mit Heizkesseln an der Wand entlang führen und offensichtlich ihren Inhalt in Teilen an die Umgebung abgeben. Jedenfalls hatte ich am folgenden Tag die wohl schlimmsten Kopfschmerzen meines Lebens. "Abstand halten" ist auch hier die Devise.
Nachtrag 2017:
Rückblickend stellt sich "die SAFEA", wie wir sie alle nur genannt haben, als seltenes Kleinod für Fotografen dar. Schon seit etlichen Jahren habe ich kaum einmal einen Ort gesehen, der frei von Graffiti war. Ich bedaure, dass ich diesen Ort nicht mit meinen heutigen technischen Möglichkeiten besuchen kann, die Fotos wären deutlich besser. Andererseits würde ich mich heute auch nicht mehr dem Risiko aussetzen wollen, dem auf dem Grundstück wohnenden und mit einem Hund patroullierenden Wächter über den Weg zu laufen. Gerade bei meinem damaligen Erst- und Alleinbesuch war es auch die permanente Anspannung, die mich so manches Motiv übersehen ließ. Aber es ist müßig über verlorene Chancen nachzdenken. Die SAFEA ist längst Geschichte - und zu der möchte ich noch kurz kommen.
Manchen mag es erstaunen, dass eine Düngemittelfabrik direkt mit einer Eisenhütte und einer Kokerei verbunden ist. Aber diese Kombination ist nur logisch: die Gase, die bei der Koksherstellung enstehen, enthalten zahlreiche Stoffe, die nach einer Reinigung und Trennung weiter verwendet werden können. Ammoniak ist der Grundstoff für Kunstdünger und besteht aus Stickstoff und Wasserstoff. Der Wasserstoff wird aus dem Kokereigas unter Verwendung von Wasser und Sauerstoff gewonnen. Ein zweiter Schritt besteht aus der Verflüssigung von Luft, bei der Stickstoff entsteht. Danach hat man die beiden Grundstoffe zur Ammoniaksynthese. Der Ammoniak läßt sich dann zur Herstellung verschiedener Kunstdüngerprodukte einsetzen.
1929 wurde die SAFEA erbaut und steigerte den Gewinn der benachbarten Werke von Gustave Boël. 1978 stellte die Kokerei die Produktion ein und damit endete auch die Ammoniakherstellung in der SAFEA. In Betrieb blieb nur die Sauerstoffproduktion und die Speicherung von Gas, für die 1991 noch ein neuer Gasometer gebaut wurde. 2003 wurden Bodenuntersuchungen beendet, die erhebliche Belastungen mit Cyaniden und Kohlenwasserstoffen feststellten. Ende 2005 begann der Abbruch mit der Rodung des Waldes, am 19.Juni 2006 wurde der Monnoyer-Turm gesprengt, der weltweit der einzige seiner Art war. 2006 war man so weit den kontaminierten Boden teilweise zu sanieren, 2008 begann dann auch die Sanierung der Deponie im Westen. Weil das Grundwasser weiterhin kontaminiert ist, wurde eine neue temporäre Kläranlage installiert. Die Sanierung kostete den Steuerzahler etwa 10 Mio Euro, die immer noch sehr wohlhabende Familie Boël kam um diese Kosten herum. Inzwischen dient das Grundstück als Standort für eine Photovoltaikanlage.
Seit jeher herrschte in und um die Düngemittelfabrik ein starkes Pflanzenwachstum. Schaut man sich heute Satellitenbilder an, so ist an den stromabwärts liegenden Schiffshebewerken des Kanals immer noch ein durch Pflanzenwachstum grün gefärbtes Wasser zu erkennen.
Reportage aux usines SAFEA (PDF-Datei)
englischer Text