Rheinhausen war einmal ein Montanindustrie-Standort allererster Güte, Stahlwerk und Kokerei des Krupp-Unternehmens boten über Jahrzehnte tausenden von Menschen einen Arbeitsplatz. Typisch für das Krupp'sche Siedlungswerk waren die Wohnsiedlungen, die für aktiv tätige oder aus dem Arbeitsleben ausgeschiedene ehemalige Arbeiter geschaffen wurden - für heutige Verhältnisse nahezu undenkbar. Aber nicht nur für den einfachen Arbeiter und seine Familie wurde derart gesorgt - auch die leitenden Angestellten kamen in den Genuss privilegierten Wohnens.
Damit verbunden war die Residenzpflicht - also die unmittelbare Nahe des Wohnortes zum Arbeitsplatz. Für die Krupp-Standorte hatte dies den Vorteil einer raschen Verfügbarkeit des Leitungspersonals in einer Zeit, in der Telekommunikation nahezu keine Rolle spielte und auch die Verkehrsmittel erst nach und nach motorisiert wurden. Und so entstand am Stadtrand von Bliersheim zwischen 1903 und 1910 eine Villensiedlung in direkter Nähe zum damaligen Stahlwerk Rheinhausen.
Die Siedlung gruppierte sich kreisförmig um die zentrale Direktorenvilla, die das größte Wohnhaus darstellt und ein eigenes Nebengebäude für das Personal besitzt - das sogenannte "Kutscherhaus". Um diese Villa herum stehen die Gebäude der Betriebsdirektoren und dahinter die der Assistenten. Die Hierarchie spiegelt sich auch in der Anlage von Einzel- und Doppelhäusern wieder.
In den 1950er Jahren endete die Residenzpflicht, das Stahlwerk hatte sich inzwischen auch so weit ausgedehnt. dass die vormalige Randlage der Villen nun zu einer emissionsbelasteten Zentrallage wurde. Die Folge war der Auszug des Leitungspersonals, das sich nun nach besseren Wohnverhältnissen umsah. In den 60er Jahren wurden südeuropäische Gastarbeiter einquartiert und seit Mitte der 70er Jahren blieben die Villen unbewohnt und drohten zu zerfallen. Die Firma Krupp wollte sie nun abreißen, der Denkmalschutz erhob aber sein Veto und 1996 wurden sie von der LEG übernommen und wetterfest gemacht. Ab 2009 wurden die Häuser nach und nach verkauft und sind nun seit 2018 wieder renoviert. Als Wohnhäuser dürfen sie als Teil des ausgewiesenen Gewerbegebietes nicht mehr genutzt werden und dienen heute als Büro, Fotostudio oder Partylocation.
Beamtensiedlung Bliersheim (Wikipedia)
Heutiges Innenleben einer Villa (Fotoflexx, unten auf der Seite)
Villa Rheinperle (Innenaufnahmen)
Notfalls wieder auf die Straße gehen (TAZ, Okt.1989)
englischer Text