Nebel verdeckt die Landschaft und hüllt die Ruine in einen eigenen Mikrokosmos. Kein Mensch ist hier oben zu sehen, man ist allein, die Welt endet dort, wo auch der Blick endet. Und inmitten dieses Szenarios steht ein monumentaler Bau, der nun - wo er allen Schmuckes beraubt nur mehr ein Rohbau ist - mit seinen dunklen Fensteröffnungen und Arkaden auch ein bißchen unheimlich wirkt. Der "Zauberberg"von Thomas Mann könnte hier Gestalt geworden sein.
In diesem Fall sind sich Fiktion und Wirklichkeit auch gar nicht so unähnlich. Dieser Ort hat einst Prominenz aus Kultur- und Geisteselite gesehen. Im Kopf mag nun noch einmal die merkwürdige Geräuschkulisse aus Konzerten, gepflegten Gesprächen und Husten erklingen. Es muß eine seltsame morbide Atmosphäre geherrscht haben, wenn immer wieder Patienten den Kreis der Leidensgenossen für immer verließen.
Auf dem weitläufigen Gelände soll sich auch irgendwo ein inzwischen überwucherter Friedhof befinden für diejenigen, deren Behandlung nicht erfolgreich verlief.
So mag es auch nicht erstaunen, dass Künstler dieses Sanatorium auch immer wieder als Quelle der Inspiration verwendeten:
der schwedische Autor Sven Stolpe hat ausgehend von seinem eigenen Aufenthalt 1927/28 einen Roman geschrieben: „Im
Wartezimmer des Todes“ (schwedischer Originaltitel „I Dödens Väntrum“)
die Lyrikern Margarete Steffin schrieb hier mehrere Bücher und wurde von ihrem Geliebten und Co-Autoren Bert Brecht besucht
Erich Kästner weilte hier 1962-64 und schrieb währenddessen das Buch "Der kleine Mann". Notizen aus seinem Aufenthalt
finden sich auch in der Sammlung "Briefe an die Doppelschätze"
der Zürcher Dokumentarfilmer Theo Stich hat einen aufschlussreichen Film über die Geschichte des Sanatoriums Agra produziert:
"Agra – eine deutsche Heilstätte / La casa dei Tedeschi" (SF DRS, 1999).
In einer Zeit, in der es noch keine Antibiotikabehandlung gab, wurden Lungenheilstätten für Tuberkulosepatienten anfangs in Höhenregionen der Berge gebaut. Schließlich erkannte man die negativen Nebenwirkungen dieses Reizklimas und suchte einen Ort, der einerseits reine Luft und andererseits kein Reizklima bot. Oberhalb des Luganer Sees wurde man fündig und so nahm im Jahr 1913/14 die Nebenstelle der
"Deutschen Heilstätte Davos" ihren Betrieb auf.
Das Sanatorium erwarb sich schnell einen hervorragenden Ruf und war bis zu Beginn der 30'er Jahre auch ein Ort des politisch-kulturellen Austauschs. Dann begann jedoch auch hier braunes Gedankengut zu wirken. Der Chefarzt und bekennende Nazi Prof. Dr. Hanns Alexander gründete in der neutralen Schweiz eine NSDAP-Ortsgruppe, ließ vor der Klinik die Hakenkreuz-Flagge aufziehen, Hitler-Bilder aufhängen und verweigerte Juden die Aufnahme in das Sanatorium. Er polarisierte Patienten, Mitarbeiter und die ortsansässige Bevölkerung und es erstaunt, dass die schweizerischen Behörden nicht einschritten und ihn tatenlos gewähren ließen.
Nach dem zweiten Weltkrieg war der Ruf des "Deutschen Hauses" aufs äußerste geschädigt und auch dank der inzwischen etablierten Antibiotika-Behandlung waren die Patientenzahlen stark rückläufig. Es diente noch als Luftkurhaus, schließlich wurden Abteilungen geschlossen, Ärzte entlassen und 1969 wurde der Betrieb komplett eingestellt. Da halfen auch die Petitionen nicht, die Stammpatienten nach Bern und Bonn schickten.
Jahrelang verfiel der Bau. Für ein Bauvorhaben mit Geschoßaufstockung, das sich letzlich zerschlug, wurde das Dach abgetragen und nur eine Behelfsabdeckung installiert. Diese ist inzwischen vom Winde verweht und so präsentiert sich das Gebäude heute ohne sein Giebeldach. Zwischenwände im Inneren wurden entfernt, die Patientenzimmer sind nur noch zu erahnen.
Inzwischen (2008) gibt es wieder Pläne zum Umbau zu einer Wellness-Oase. Es bleibt abzuwarten, was daraus wird. Alle Investitionen sind daran gekoppelt, die alte Bausubstanz zu erhalten und die Räumlichkeiten zumindest in Teilen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Nachtrag (2016):
Unter Wahrung des äußeren Erscheinungsbildes wurde das Sanatorium inzwischen umgebaut und wieder einer Neunutzung zugeführt.
Weiterführende Links:
Spiegel-Online: "Unheilbar Deutsch"
Resort Collina D'Oro
Fotos von Silvio Maraini
Fog covers the landscape and creates a microcosmos around the ruin. Nobody is to be seen, you're alone, the world ends at that point, where the view stops. And inside this scenery there is a massive building, which looks a little bit scary with its dark openings.
Once this place has seen the prominent members of culture and politics. And if you try and listen you can still hear inside your head the sound of concerts, discussions and cough. It must have been a strange atmosphere, when always patients left the circle of their fellows in misery.
It is said, that somewhere at this huge area a graveyard should still exist.
So it doesn't surprise, that artists used this hospital as a source of inspiration:
the swedish author Sven Stolpe wrote a novel called "Waitingroom of the death" ()original: „I Dödens Väntrum“), based on his own visit in 1927/28
the lyricist Margarete Steffin wrote some books here and was visited by her lover and co-author Bert Brecht
Erich Kästner was here between 1962-64 and wrote the book "Der kleine Mann".
the director Theo Stich from Zürich made a documentary about the history of the hospital: "Agra – eine deutsche Heilstätte / La casa dei Tedeschi" (SF DRS, 1999).
In a time without antibiotics the hospitals for lung deseases were build in the high regions of mountains. But soon negative influences of the air in this heights were recognized and so a place was searched with clean air without those influences. It was found above the lake of Lugano and in the year 1913/14 the doors of the new hospital were opened.
Soon it got an excellent reputation and was a place of political and cultural exchange - until the beginning of the 30'ies. But then also at this place the brown thoughts of the german nazi party started to grow. The chief physician Prof. Dr. Hanns Alexander founded a local support group of the german NSDAP straight here in Switzerland, hoisted the nazi-flag in front of the hospital, decorated walls with pictures of Hitler and denied access for Jews. He polarized patients, co-workers and the people of Agra, but the swiss government didn't do anything against that.
After WWII the reputation of the hospital was damaged very strong. And also due to the modern antibiotical therapy the number of patients decreased. At the end the hospital closed its doors in 1969.
Over years the building decayed. Because of plans for an enhancement of floors the roof was removed, also walls between rooms.
Meanwhile (2008) a new concept still exist: the rebuilding to a wellness-oasis.