Sommer, Sonne - und Gestank. Nichts unerwartetes für den Besuch einer ehemaligen Teerfabrik im Juni. Und so war es dann auch. Insbesondere die Hochtanks verströmten einen sehr ungesunden Odem, der den Aufenthalt in ihrer Nähe nicht unnötig ausdehnen ließ. Das gesamte Fabrikgelände war zu diesem Zeitpunkt nur noch ein Fragment des ursprünglichen Werkes, die bestehenden Hauptgebäude gestatteten allenfalls einen schnellen Blick durch eines der Fenster.
Ursprünglich befand sich auf dem Grundstück eine Ziegelei. 1887 entstand eine Allianz aus dem Grundstücksbesitzer Schulz, dem Bankier von Waldthausen und dem Chemiker Dr.Wirth, die hier die Teerdestillationsfirma "Wirth, Waldthausen & Schulz" gründeten. Die Anlage reihte sich damit in die Produktionskette der Kohleverarbeitung im Revier ein. Bei der Verkokung der Steinkohle fällt als Nebenprodukt Rohteer an, aus dem durch Destillation weitere Produkte zu gewinnen sind: Anthrazen, Pech und Öle sind dabei die wichtigsten. Das Pech wurde anfangs zur Herstellung von Imprägniermitteln und Briketts eingesetzt, später diente es der Herstellung von Asphalt. Den Rohteer bezog man von den umliegenden Steinkohlezechen, die über angegliederte Kokereien längst ein Zugeschäft mit den Nebenprodukten entwickelt hatten.
1918 wurde der Destillationsbetrieb von der Firma Raschig in Ludwigshafen aufgekauft, die nun von hier Vorstufen für ihre Teerprodukte bezog. Im zweiten Weltkrieg gab es schwere Schäden, ein Bombentreffer auf einen Tank sorgte für eine Bodenverseuchung, die während der Produktionszeit niemals behoben wurde. Nach dem Krieg wurde die Werksanlage wieder aufgebaut und erlebte während der Wirtschaftswunderzeit ihre Hochzeit - bis zu 250 Angestellte und Arbeiter zählte der Betrieb in seiner besten Zeit. 1972 wurde die Teerdestillation aufgegeben, ein Grund waren die inzwischen verschärften Umweltauflagen. Ein großer Teil der Gebäude und Produktionsanlagen wurde abgerissen. Die Belegschaft wurde auf ein Zehntel der Größe reduziert, danach wurden noch bis zum Ende des Jahres 2005 Dachpappenbahnen und Bitumen zur Aphaltherstellung produziert.
Danach vermachten die Raschig-Werke der Stadt Bochum ein sehr unangenehmes Erbe: das Gelände war hochgradig kontaminiert. Der Bombentreffer, schlampige Handhabung und marode Leitungen und Tanks hatten das Grundstück mit zahlreichen Giftstoffen (u.a. PAK) verseucht. 30 ober- und unterirdische Tanks enthielten noch im Jahr 2010 erhebliche Mengen von Benzol und Teer.
Bis 2007 wurden Analysen zur möglichen Altlastensanierung durchgeführt. 2009 begannen schließlich die Sanierungsarbeiten, die im November 2011 offiziell abgeschlossen wurden.
Ruhrnachrichten: Entscheid zum Abriß
Köhler Photo Art
historische Fotos (PDF-Datei)
Sanierung durch die geo-id GmbH
englischer Text