Zur Zeit des Kolonialismus war es für die Niederlande eine Notwendigkeit Verbindung mit den Kolonien zu halten, die sich damals auch auf der anderen Seite des Globus befanden. Üblicherweise geschah dies durch kabelgebundene Telegramm-Verbindungen, bei denen die Niederlande jedoch von Großbritannien und Deutschland abhängig waren. Diese Abhängigheit wurde nochmals deutlicher, als der erste Weltkrieg ausbrach. Nach dessen Ende erfolgte der Beschluss zu einem eigenen, unabhängigen Kommunikationsnetz.
Die Wahl fiel dabei auf die Langwellen-Funktechnik. Abseits besiedelter Flächen wurde ein abgelegenes 450 ha großes Areal präpariert und mit Funkzentrale, 5 Sendemasten, zwei Wassertürmen, Energiezentrale und Wohnhäusern ausgestattet. In den Wohngebäuden lebten später während des Betriebs an die 200 Personen, weil eine ständige Verfügbarkeit des Personals notwendig war. Dieses kleine Dorf heißt auch heute noch Radio Kottwijk. Im Mai 1923 ging die Anlage (zunächst nur für den Morsefunk) in Betrieb.
"Kootwijk Radio" war zwar das internationele Rufzeichen des Senders, er war aber auch als Radio Assel oder Radio Hoog Buurlo bekannt. 1929 wurde eine Telefonverbindung nach Niederländisch-Ostindieneingerichtet.
Während des zweiten Weltkriegs wurde die Sendeanlage von deutschen Truppen besetzt, die Marine nutzte die Anlage um Kontakt zu U-Booten auf See herzustellen. Vor ihrem Abzug demontierten die Deutschen die Geräte aus dem Inneren der Sendezentrale und sprengten die Funkmasten. In den Nachkriegsjahren fanden sich die Geräte in Ostdeutschland wieder und wurden im April 1947 zurück transportiert. Der Sendebetrieb - ab 1962 unter dem Sendezeichen "Scheveningen Radio" - dauerte bis 1998, danach verstummte die Sendeanlage.
Für die weitere Nutzung gab es verschiedene Überlegungen, schließlich gelangte das Gelände 2009 in den Besitz des staatlichen Forstamtes und heute dient Gebäude A als Ort für private und öffentliche Veranstaltungen. Der Zutritt ist nur im Rahmen von Führungen oder Veranstaltungen möglich. Gelegentlich dient Gebäude mit seinem dekorativ gekachelten Maschinensaal als Kulisse für Musikvideos oder Spielfilme. Im Umfeld stehen weitere Gebäude, die teilweise noch ungenutzt sind. Zwei davon wurden 2006 durch Brände zerstört.
Gebäude A ist zweifellos der architektonisch beeindruckendste Anlagenteil. Es musste aus einem brandresistenten Material erstellt werden, weil durch die Strahlung der Sender eine Erhitzung möglich gewesen wäre, die bei Holz als Baumaterial zu einem Brand hätte führen können. So berichtete mir ein früherer Angestellter bei meinem Besuch, dass es normal gewesen sei, dass Vögel auf den Masten und Leitungen lebendig verbrannt seien und man deren Kadaver regelmäßig einsammeln musste.
Ebenso ungewöhnlich wie der Baustoff Beton war auch die Gestaltung. Der Architekt Julius Maria Luthmann (1890-1973) war von ägyptischer Architektur inspiriert und ahmte mit der Gebäudeform eine altägyptische Sphinx nach. Gebäude A zählt dennoch zum Architekturstil der Amsterdamer Schule, einer Teilrichtung des Expressionismus. Die Fassade schmückt auf der Rückseite ein Adler und an der Front ein Relief, das eine Maske zeigt, aus deren Mund stilisierte Radiowellen austreten. Die Maske wird von zwei hörenden Frauenfiguren flankiert, die für den europäischen und asiatischen Kulturkreis stehen. Dieses Relief stammt vom Bildhauer Hendrik van der Eijnde.
Wikipedia (NL): Radio Kootwijk
Hier Radio Kootwijk
Broschüre, herausgegeben von der Stadt Apeldoorn (PDF)
"Diaschau" historischer Fotos (ca. 9 Min.)
Drohnenflug-Video von 2017 (ca. 3,5 Min.)
Radio Kootwijk bei Urbex.nl
Stichting Willem Smit - Uitbreidingen Radio Kootwijk
De Veluwe - Stummfilm-Doku von 1923
Trailer zum Film "Mindhunters"
Musikvideo von Kensington
englischer Text