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Titelbild von Burgbelebung der Linner Ritterrunde Titelbild von Burgbelebung der Linner Ritterrunde
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Burg Linn anno 1380: Burgbelebung der Linner Ritterrunde


An manchen Tagen im Jahr geschieht in der Burg Linn bei Krefeld gar wundersames: die Burg verwandelt sich durch einen Zeitsprung zurück in das Jahr 1380. Aus der Backstube dringt dann der Geruch von Feuer und frischem Brot, in der Küche herrscht emsige Geschäftigkeit und nebenan wird gehobelt, gehämmert, gesponnen und draussen Talg über dem offenen Feuer gekocht. Ganz so, wie es einmal im Spätmittelalter zugegangen sein könnte.
Die Linner Ritterrunde ist dann ganz in ihrem Element, wenn sie den interessierten Zuschauern der Burgbelebung einen Einblick in alte Gewerke, Verwaltung oder Freizeitgestaltung bietet. Und für etwas Kurzweil sorgt zwischendurch das Spiel mit Kegeln, Schach, Kreisel oder Würfeln, bei dem es schon mal hoch her geht. Im Unterschied zu typischen Mittelaltermärkten geht es hier aber weniger um die Unterhaltung der Besucher, sondern viel mehr um die historisch korrekte Darstellung in Zusammenarbeit mit dem Museum Burg Linn.
Mein Dank gilt allen Beteiligten, die es mir ermöglichten sie dabei mit der Kamera zu begleiten.



 

Torwache


Der Torwache kam im Mittelalter die Aufgabe der Einlasskontrolle zu. Dazu gehörte das Öffnen und Schließen der Tore, sowie die Überprüfung des Anliegens etwaiger Besucher. Die Verwaltung einer Burg oblag einem nieder-adeligen Burgvogt, der nicht nur die täglichen Abläufe koordinierte, sondern auch für die Rechtsprechung zuständig war. In der Darstellung der Linner Ritterrunde war dies Heinrich IV. von der Neersen.


Backhaus


Das derzeitige Backhaus der Burg Linn befindet sich abseits der Hauptburg neben der Umwallung der Vorburg. Es ist ein Gebäude aus dem Jahr 1788, das 1962 von seinem Standort in Tönisberg zur Burg Linn verlagert wurde. Das ursprünglich aus dem Jahr 1488 stammende Backhaus der Burg wurde mehrfach umgebaut und hat früher an der Stelle des heutigen Jagdschlosses gestanden. Der Weg der warmen Teigwaren zur Burg war somit früher einmal deutlich kürzer als er das heute ist.
Der Tag der Burgbelebung begann bei noch herrschender Dunkelheit mit der Tätigkeit des Burgbäckers, der zweimal am Tag für frische Backwaren zu sorgen hatte. Gebacken wurde das Brot und die Brötchen neben brennenden Holzscheiten und nicht auf vorgewärmten Ofensteinen. Brot entwickelte sich zwischen dem 10. und 13.Jahrhundert von einem Luxusgut zu einem alltäglichen Lebensmittel.
Das mittelalterliche Zunftsystem schloß auch die Bäckerzunft ein - dort Mitglied zu werden war teuer und aufwändig. Innerhalb der Zunft gab es eine Qualitätskontrolle zur Überwachung der Bäcker. Wurde doch einmal ein Bäcker beim Betrug erwischt, waren die Strafen drastisch.


Küchenbetrieb


Hier herrschte den ganzen Tag emsiges Treiben, es wurde zubereitet, gekocht, gewürzt, gespült und zwischendurch auch einmal geplaudert. Kurz: die Küche war ein Ort des Lebens, das Zentrum, in dem alle einmal vorbei schauten. Die Küchenchefin und Autorin von "Kochen wie im Mittelalter" hatte zwar im Nebenraum alle Hände voll mit ihrer Spinnarbeit zu tun, aber auch so hatte die Küchenmannschaft als eingespieltes Team alles im Griff.
Die Feuerstellen in den Burgküchen entwickelten sich während des Mittelalters von flachen, bodennahen Modellen hin zu aufgemauerten Feuerstellen. Die Feuerstelle in Burg Linn stellt einen frühen Typus mit Ziegelumrandung dar. Während offene Feuerstellen auch gleichzeitig als Heizquelle dienten, boten die späteren kniehoch aufgemauerten Herde mehr Komfort da sie nicht mehr im Bücken bedient werden mußten. Bei offenen Feuerstellen wurden die Kessel über das Feuer gehangen, Pfannen wurden über der Glut auf Roste gestellt. Über die Länge der Aufhängung wurde die Temperatur reguliert.
Bei den Speisen des Mittelalters dominierten Eintöpfe, Breie und Suppen. Heimische Gewürzpflanzen spielten eine große Rolle, teuer waren hingegen Pfeffer, Ingwer, Zimt und andere, die weite Transportwege bedingten.


Waschen und reinigen


Waschmittel wurden im Mittelalter aus Pottasche oder Seifenkraut hergestellt. Pottasche besteht zu gut einem Fünftel aus Kaliumcarbonat, das in Wasser zerfällt und eine stark alkalische und fettlösende Lauge entstehen lässt (weitere Infos hier: Sorores Historiae - Fertig ist die Lauge).
Ein anderes Verfahren war der Einsatz von Seifenkraut (Saponaria officinalis). Das einkochen von Blättern und Wurzeln bei kleiner Flamme und anschließendem abfiltrieren erzeugt eine Form von Flüssigseife.


Zu Tisch


Die Tischsitten des Mittelalters waren bis zum 11.Jahrhundert doch recht rudimentär. Die teils sehr kultivierten Umgangsformen der Antike waren in den Folgejahrhunderten in Vergessenheit geraten und so ging es im frühen Mittelalter eher rustikal zu bei Tische. Erst als ab dem 11.jahrhundert Männer und Frauen gemeinsam am Tisch saßen, entwickelten sich wieder kultiviertere Tischsitten. Diese entstanden zuerst beim Adel, setzten sich dann aber auch mehr und mehr beim gemeinen Volk durch. Das Essen mit den Fingern blieb aber gang und gäbe, lediglich der Löffel bewährte sich als nützliches Instrument für Suppen und Brei. Die Gabel war normalerweise nicht Bestandteil eines persönlichen Essbestecks - es sei denn, man gehörte dem Hochadel an. Vielmehr diente sie allen als Vorlegegabel u.a. für Fleisch - das im übrigen so weich gekocht wurde, dass es mit dem Löffel gegessen werde konnte.
Sich die fettigen Finger an der Kleidung abzuwischen, galt als Verstoß gegen die guten Sitten. Spezielle Wassergefäße und Tücher dienten der Reinigung der Hände vor und während der Mahlzeiten.


Textiles Arbeiten


Das Material für die Kleidung der einfachen Leute im Mittelalter basierte in erster Linie auf Leinen, Hanf und Nessel für die Unter- sowie auf Wolle für die Oberbekleidung. Die Textilien wurden zumeist in Heimarbeit hergestellt.
Sowohl Wolle als auch Pflanzenfasern müssen verschiedene Bearbeitungsschritte durchlaufen, bevor aus ihnen ein verarbeitbares Garn entsteht. Waschen, Kämmen (Kardieren) zur Ausrichtung der Haare, Ölen und Krempeln gingen dem Spinnen voraus. Der beim Spinnen erzeugte Faden konnte noch verzwirnt werden, wurde gehaspelt und dann auf einer Spule aufgerollt. Bevor der Faden zum Weben verwendet werden konnte, musste er noch in der Länge angeglichen werden und mit einer glättenden Paste bestrichen werden.
Der gewebte Stoff wurde noch zugeschnitten und genäht. Die genannten Arbeitsschritte wurden nicht von Einzelpersonen ausgeführt, sondern waren Teilschritte einer Arbeitskette von mehreren Personen.
Ausführlicheres ist hier nachzulesen: Tremonia 1300: Vom Schaf zum Kleid - Wollverarbeitung im Mittelalter


Holzbearbeitung


Der wichtigste Bau- und Werkstoff des Mittelalters war Holz - der zudem noch als Brennstoff diente. In Folge dessen war der Wald bis zum 13.Jahrhundert bereits durch Rodung vernichtet worden.
Um Holz als Werkstoff bildeten sich die verschiedensten Handwerksberufe (Holzhauer, Schreiner, Zimmerleute, Schuhmacher etc.). Diese verwendeten Werkzeuge, die sich bis in die Neuzeit erhalten haben. Dazu gehört auch eine Schnitzbank, auf der der Handwerker sitzt (daher auch der Name Schnitzpferd oder Bock) und mit Hilfe seiner Füße und einer Klemmvorrichtung das Werkstück fixiert (hist.Abbildung von 1478). Zum eigentlichen Schnitzen und Hobeln konnte dann z.B. ein beidseitig zu greifendes Zugmesser eingesetzt werden.


Metallbearbeitung


Die Arbeit mit Metall brachte im Mittelalter eine ganze Reihe spezialisierter Berufe hervor. Der Schmied war einer davon, umfing mit seiner Tätigkeit aber einen recht weit gespannten Rahmen. Die Bezeichnungen Hufschmied, Kesselschmied, Klingenschmied oder Nagelschmied machen bereits deutlich, dass es auch unter den Schmieden eine ganze Bandbreite von Spezialisten gab.
Bei der Burgbelebung der Linner Ritterrunde wurde im Laufe eines Tages gezeigt, wie aus einem Stück Blech eine Schöpfkelle mit Sieb (Schaumlöffel) entstand.


Herstellung von Talglichtern


Die Beleuchtungsmittel waren im Mittellater Fackeln und Kerzen. Raucharme Kerzen aus Bienenwachs waren allerdings teuer und wurden nur im sakralen Bereich, bei Hofe oder reichen Bürgern verwendet. Das übrige Volk nutzte deshalb zur Herstellung von "Unschlittkerzen" verschiedene tierische Fette von Rind oder Ziege. Der Docht bestand anfangs aus Abfallgarn, ab dem 13.Jahrhundert setzte sich mehr und mehr ein Gemisch aus Baumwolle und Leinen durch.
Das Schmelzen klein geschnittener Fettwürfel dauert mehrere Stunden. Am Ende erhält man eine weiß-gelbliche Flüssigkeit, die nach einer dreifachen Filtration durch Leinentücher von weißer Farbe ist und in Schalen gefüllt wird. Eine schleifenartige Verlegung des Dochtes ist vorteilhaft. Wenn bei Verwendung von solch einem Talglicht der Talg so nach und nach verbrennt, kann er auch bei brennender Lampe nachgefüllt werden.


Rechenbrett


Das Rechnen auf Linien war im europäischen Mittelalter eine weit verbreitete Methode zur Anwendung von Grundrechenarten. Das dabei verwendete Rechenbrett ähnelt dabei stark dem klassischen Abakus, der bereits 2500 Jahre vor unserer Zeitenrechnung Anwendung fand.
Das Wissen um das Rechnen mit einem Abakus war in der Spätantike weitgehend verloren gegangen, hielt sich aber noch in Klöstern. Dort wurde ab dem 10.Jahrhundert zum Multiplizieren und Dividieren der sogenannte Klosterabakus eingesetzt. Das Rechenbrett mit unbezeichneten "Rechenpfennigen" ist eine jüngere Entwicklung und hielt ab dem 13.Jahrhundert Einzug in den Alltag von Händlern und Verwaltung.
Weitere Informationen zur Funktionsweise hier: "Adam Ries - Rechnung auff der linihen"


Spiele im Mittelalter


Das Spielen war im Mittelalter auch unter Erwachsenen sehr beliebt und verbreitet. Die heutige Vorstellung des harten bäuerlichen Lebens ist sicherlich korrrekt - wobei leicht außer Acht gelaßen wird, dass es saisonal große Unterschiede in der täglichen Arbeitszeit gab. Auch existierte eine Vielzahl von Feiertagen, an denen die Arbeit zu ruhen hatte. Also Zeit genug, sich diese mit Spielen zu vertreiben.
Würfel-, Karten- und Brettspiele richteten sich neben reinen Kinderspielen vor allem an die Älteren. Zu letzteren gehört der Peitschenkreisel, ein wohl vor allem von Mädchen gern gespieltes Geschicklichkeitsspiel. Dabei wird eine Schnur um einen Kreisel gewickelt und schnell abgezogen um den Kreisel in Rotation zu versetzen. Gezielte Peitschenschläge sorgen dann für einen andauernden Umlauf des Kreisels.

Letzte Änderung: 10.03.2024 - 20:27
Quelle: www.lipinski.de/portfolio/ritterrunde2022/index.php
Abgerufen: 26.04.2024 - 19:17 Uhr
Autor: Klaus Lipinski, Düsseldorf
Email: info(at)lipinski.de
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