Oktober 2005:
Unvoreingenommen betrachtet wirkt Chateau Noisy von außen nicht mehr und nicht weniger wie der Archetypus eines Spukschloßes. Da gibt es Zinnen und Erker, Türme und Türmchen mehr als man zählen kann, dunkle Fensterhöhlen und wasserlose Becken im verwilderten Garten. Es scheint, als könne sich jederzeit etwas hinter den Fenstern bewegen. Doch da ist nichts. Stattdessen aus Stein gemeißelte Gesichter und Figuren, die einen beim Besuch des Schloßes immer wieder einmal entgegenblicken und nicht aus den leblosen Augen entlaßen.
Auch innen bietet sich eine Kulisse, die Grusel und Furcht erzeugen kann. Weniger weil der Keller dunkel ist - so wie das bei Kellern in der Regel der Fall ist - oder giftige Pilzsporen in den Wänden lauern. Nein, es ist mehr der völlig heruntergekommene und zerstörte Zustand der häuslichen Substanz. Die Bohlen im Erdgeschoss schwingen beim Gehen unter den Füßen und schon in der ersten Etage mahnen Löcher im Fußboden zu äußerster Vorsicht. In der dritten Etage schließlich weigere ich mich an einem metergroßen Loch im Holzboden vorbeizugehen, das wegen des kaputten Daches durch Witterungseinflüsse entstanden ist. Nein, hier ruft die innere Stimme zur besonnenen Umkehr - wohl wissend, dass andere diesen Abgrund schon bezwungen haben.
Aber auch so hält der Besuch genügend Spannung parat. Als ich gerade den Torbogen verlassen will, fährt ein Auto vor. Es scheint, als ob der Wagen gerade einmal 10 Meter entfernt hält. Schritte sind zu hören, Arbeitsgeräusche, ein schweres Atmen. Dann wieder Fahrgeräusche, Autotüren, ein lautes und energisches Rufen - dann ist der Wagen wieder weg. "Glück gehabt" denke ich in meinem türlosen Versteck und will es gerade verlassen, da sehe ich sie: zwei schwarze Hunde , nur einen Steinwurf weit entfernt. Ich ziehe mich zurück und warte ab. Sind das da zu meinen Füßen nicht etwa Hundedecken? Panikgefühl macht sich breit. Was ist, wenn die beiden Hunde dort über Nacht bleiben und mich gleich besuchen? Doch nichts dergleichen passiert. Stattdessen kommt das Auto zurück, fährt wieder weg, kommt, fährt, kommt, fährt. Nach fast 40 Minuten geben mir die Kollegen, die drüben aus dem Hauptgebäude die Szene beobachtet haben, Entwarnung. Es war ein Jäger, der von dort Futter in den Wald gebracht hat und derweil drei (!) Hunde am Chateau gelassen hat.
Nach dieser Episode fällt es mir dann doch etwas leichter, das Gelände wieder zu verlassen. Die dutzenden von Fasanen im Garten mögen es begrüßt haben, konnten sie sich doch nun wieder ungestört der Futtersuche widmen.
Januar 2012:
Gut 6 Jahre später ... wieder stehe ich vor dem Gebäude - aber dieses Mal sehr entspannt. Ein glücklicher Umstand in Form von Dreharbeiten zu Noisy verhilft mir zu einer regulären Besuchserlaubnis (Mike sei's gedankt!). Bei dieser Gelegenheit lerne ich auch den aktuellen "Ranger" kennen, der für die Sicherheit auf dem Gelände zuständig ist. Ein sehr sympathischer Herr, der einen Einblick auf die Sichtweise und Anforderungen der Besitzer gibt. Trotzdem er alle Zugänge versiegelt hat, dringen immer wieder Urbexer, selbsternannte Geisterjäger oder andere abenteuerlustige Leute ein.
Ein Teil davon ist sich nicht zu schade dort zu vandalisieren - die Spuren sind überall zu sehen. Der mittlerweile zum Teil kriminelle Zustand der Böden lässt ständig Unfälle erwarten. Dabei ist es noch nicht einmal die aktuelle Belastung, die den Zusammenbruch erzeugen kann. Der Ranger war einmal zugegen, wie unter großem Getöse ein wassergetränkter Boden zusammenbrach. Solche Gefahrenstellen sind nicht sichtbar und eine tödliche Gefahrenquelle. Daher ist auch zu verstehen, dass man keine große Sympathie für ungebtene Besucher hegt und inzwischen schnell die Polizei zur Unterstützung ruft.
Auch wenn es schwer fällt: jeder, der noch nicht dort war sollte es dabei belassen. Es gibt genügend hervorragende Fotos dieser Location im Netz und vielleicht schon bald einen wunderschönen Film.
Update 2016:
Im Oktober haben die Abbrucharbeiten begonnen, das Chateau Noisy ist nun Vergangenheit.
Weiterführende Links:
Geschichte von Chateau Noisy
Dubtown - Bilder unseres gemeinsamen Besuchs
October 2005:
An impartial visitor looking for the first time to the front of Chateau Noisy will recognize the archetype of a haunted cadtle. There are pinnacles and bays, turrets and towers more than you can count, dark windows and water basins in the wilderness of the old garden. It seems that something could always move behind the windows. But there is nothing. Instead faces and figures made of stone, which look always to you during your visit of the castle and don't leave you out of their lifeless eyes.
Also the inside offers an atmosphere, that scary and fear can create. Less because the basement is dark, as basements usually do - or poisonous fungus spores lurking in the walls. No, it's more because of the run-down and totally destroyed state of the home's substance. The planks on the ground floor swing while walking on them and from the first floor upwards holes in the floor remind for your utmost caution. On the third floor, finally, I refuse to pass by a huge hole in the wooden floor, which was caused by the broken roof and the influence of the weather. No, here my inner voice calls for a prudent reversal still knowing that others already passed by this abyss.
Even so the visit offers enough suspense. When I just wanted to leave the archway a car arrived. It seemed to me as if the car stopped barely 10 meters away. I heared steps, noises of work, a heavy breathing. Then again a motor noise, car doors, a loud and energetic command - then the car droved away again. "Be lucky" I thought in my doorless hideout and wanted to leave it straightly, when I saw them: two black dogs, only a stone's throw away. I pulled myself back and waited. Aren't there around to my feet dogs blankets? Panic feeling all round. What if the two dogs stay there overnight and come in to visit me? But nothing of this kind happened. Instead the car came back, drove away again, came, drove, came, drove ...
After nearly 40 minutes my colleagues - who observed the scene over from the main building - gave me an all clear signal. It was a ranger, who transported feed into the forest and left meanwhile three (!) dogs at the chateau.
After this episode, it was much easier for me to leave the area. The dozens of pheasants in the garden may have welcomed this, because now they could continue their undisturbed search for feed.