Weiß ich eigentlich wirklich was es heißt, von völliger Dunkelheit umgeben zu sein? Weiß ich, wie es ist, den Druck der Erde zu verspüren? Die Orientierung zu verlieren? Den Wunsch nach frischer Luft immer stärker werden zu verspüren?
Ja. Nun weiß ich es. Ich stehe in einem wahrhaften Labyrinth aus Gängen und fühle mich sehr, sehr klein. Dunkle Gänge auf allen Seiten, kein Blick reicht bis an ihr Ende, der Kegel der Lampen wird schon vorher geschluckt. Stille. Unendliche Stille. Wären meine Begleiter nicht, ich würde mich wohl lebendig begraben fühlen.
Hier haben einmal Menschen gearbeitet, geschuftet, ihr Leben riskiert. Nicht Gold und Silber war ihr Begehr, sondern Mergelgestein, aus dem draußen, im Licht der normalen Welt Häuser, Schlösser und Kirchen entstehen sollten.
Vor 2000 Jahren bereits begann der Abbau. Zuerst im Tagebau und dann ab dem 15. Jahrhundert auch untertage. Das Gangsystem im Süden der Niederlande umfaßt mehr als 1000 km Länge. Allein hier, in diesem Berg sind es mehr als 260 km, von denen gut 170 km auf die benachbarte, schon erheblich zerstörte Mine entfallen. Fledermäuse haben hier ihr Winterquartier, aber auch Menschen zieht es immer wieder an diesen Ort. Hunderte abgebrannter Teelichter und leere Flaschen künden von den illegalen Parties, die hier regelmäßg stattfinden. Daneben gibt es aber auch eine eingeschworene Gemeinschaft von etwa 100 "Berglopern", die Abenteuer und Ruhe bei ausgedehnten unterirdischen Spaziergängen finden. Ihnen liegt am Erhalt der auch kulturhistorisch wichtigen Gänge. An vielen Stellen finden sich Zeichnungen aus den vergangenen Jahrhunderten. Bilder von Tod und Teufel, von Heirat und Arbeit, von Krieg und Militär.
Darum werden die verborgenen Zugänge zu den seit 1994 verschlossenen Minen nicht bekannt gegeben. Und dennoch, Unglücke passieren immer wieder. 1993 verschwanden zwei Jungen durch eine Fledermauspassage in einer Mine und wurden erst nach drei Wochen wieder gefunden. Und immer wiederkehrende Zusammenbrüche des Gesteins beendeten nicht nur das Leben mehrerer Arbeiter, sondern auch das Geschäft der meisten Champignon-Züchter, die in den letzten Jahrzehnten die Minen benutzten.
Das "Making of":
Angefangen hat alles mit einem spontanen Erkundungsbesuch im Anschluß an eine bis dahin nicht besonders erfolgreich verlaufene Exkursion in Belgien. So stand ich dann zusammen mit meinem Kumpel Markus vor dem Eingang in dieses unterirdische Reich und es war sofort klar, dass wir da mal reingehen. Dieser erste Besuch endete vernünftigerweise nach geschätzten 80 Metern. Wir machten Aufnahmen, testeten verschiedene Beleuchtungstechniken und nach einigen Drehungen und Wendungen kam langsam so etwas wie Unsicherheit und ein unschönes Gefühl beginnender Panik auf, als es langsam schwierig wurde, die Richtung des Rückwegs zu bestimmen. Zum Glück ging unser Kurzbesuch glimpflich aus, der Rückweg war dann doch noch leicht zu finden gewesen. Aber wer weiß - noch ein paar Drehungen und Gänge mehr und wir wären Kandidaten für einen Suchtrupp geworden
Die Lehre daraus war klar: der nächste Besuch sollte gut vorbereitet werden. Und so wurden Helm, Starklichtleuchten und andere Lampen gekauft, die genug Licht für mehrere Tage garantiert hätten. Ein Kompaß war ebenso Pflicht wie eine Karte. Dass die nicht gereicht hätte, wurde beim zweiten Besuch klar. Unser Führer, der uns diesmal durch dieses Reich geleitete, kam zwar ohne sie aus - aber für Patrick sind die Grotten quasi sein zweites Wohnzimmer. Ein Wohnzimmer, in das wir förmlich hineinrutschten.
Schon gleich zu Beginn standen wir vor einem Schlund, der sich als Loch im Boden vor uns auftat und nicht versprach, dass wir da auch wieder herauskämen. Ganz auf Patrick vertrauend stolperten und rutschten wir hinab. Staunend folgten wir ihm auch in die entlegendsten Winkel dieser ehemaligen Mine. Das Vertrauen wurde bestätigt, nach einem zünftigen Picknick mit Hotdogs einen halben Kilometer tief in der Erde verließen wir nach einigen Stunden diese so doch ganz andere Welt.
Dumm war nur, dass meine Kameras so ihre Probleme mit den Bedingungen dort unten hatten. Die digitale Lumix schafft nur 8 Sekunden als längste Belichtungszeit. Das war nur ein Viertel dessen, was eigentlich notwendig war. Und so spurtete ich in diesen Sekunden los, um mit Handlampen die Gänge auszuleuchten. Aber nur durch die Kombination mehrerer Aufnahmen konnten die Bilder gerettet werden. Die analoge Rollei SL 3003 hingegen, die eigentlich die Langzeitbelichtungen machen sollte, streikte bei der hohen Luftfeuchtigkeit in den Gängen komplett. Und somit war die Fotoausbeute nicht das, was ich mir erhofft hatte.
Ein neuer Besuch im November - nun mit hochpräziser Karte und ohne ortskundigen Führer - sollte die Ausbeute erhöhen. Nachdem die Aufnahmen der Reliefs im Kasten waren, erwischte es uns dann doch noch auf dem Rückweg: ringsherum sah alles gleich aus, auch die Karte half nicht mehr weiter. Also gingen wir zum letzten noch bekannten Punkt zurück, um uns dort neu zu orientieren. Da hörten wir Stimmen, sahen ein Licht auf uns zukommen. Eine andere Gruppe von Bergläufern war auch dort unten unterwegs und geleitete uns wieder nach draussen. Ein eigentlich geplanter Besuch eines anderen Teils der Mine unterblieb danach. Wieder war nicht alles im Kasten, noch immer fehlten mir Bilder. Und es begann der Winter und damit die Winterschlafphase der unter Schutz stehenden Fledermäuse, die diese Grotten um diese Zeit aufsuchen. Es hieß also warten, bis dass der Frühling beginnt.
Dann endlich, im April war es wieder soweit. Der vierte Besuch sollte endlich die Lücken schliessen, die noch immer im Portfolio waren. Dieses Mal schloß sich neben Patrick noch ein weiterer Bergläufer an. Hub kannte die Grotten schon über 20 Jahre und handelte im Alltagsleben mit Starklichtleuchten. Kein Wunder, dass sein Licht heller strahlte als unseres.
Als Quintessenz bleibt jedenfalls festzustellen, dass die fotografische Ausbeute - gemessen am Aufwand - sehr gering ist. Streikende Kameras und verlöschende Lampen auf Grund unreinen Petroleums waren ein Teil dieser Ursachen.
Der genaue Ort dieser Gruben wird im übrigen nicht bekannt gegeben. Die Furcht vor Vandalismus oder leichtsinnigeren Folgebesuchern ist mir zu groß. Allen anderen sei die Ethik des Bergwanderns auf Troglocaris (inzwischen offline) und das Befahrerhandbuch der Grubenarchäologischen Gesellschaft nahe gelegt.
Nachtrag 2018:
Gut 10 Jahre späterist leider festzustellen, dass es wieder gekommen ist, wie es nicht kommen sollte. Die Eingänge zu den Stollensystemen sind nun schon auf öffentlichen Karten verzeichnet, die Geocaching-Szene hat die Grotten für sich entdeckt und die Zahl an Graffities hat stark zugenommen. Von daher scheint die Geheimnistuerei um den Standort etwas lächerlich. Daher nenne ich nun den Namen der Stollensysteme, weitere Infos unterbleiben aber.
De Bergloper
Berglopen : cultuur en geschiedenis ondergronds
Kleinternaaien
Fotos von Bert Beckers
Do I really know what it means to be completely surrounded by darkness? Do I know how to feel the pressure of the earth? To loose the orientation? To feel the increasing desire for fresh air?
Yes. Now I know it. I stay in a real labyrinth of corridors and feel myself very, very small. Dark corridors on all sides, no view reaches their end, the cone of the light is already swallowed before. Silence. Endless silence. Wouldn't be there my companions, I would probably feel like buried alive.
People once have worked here, toiled, risked their lives. Not gold and silver was their desire, but limestone, from which at the outside - in the light of the normal world - houses, castles and churches should be build.
2000 years ago the mining already started. First in pits and then from 15th century even in the underground. This vein system in the south of the Netherlands consists of more than 1000 km in length. Only here, below this hill, it has a length of more than 260 km, of which over 170 km belong to the adjacent already destroyed mine.
Bats have their winter quarters here, but it also attracts people again and again. Hundreds of used candles and empty bottles report from illegal parties, which take place here regularly. In addition, there is also a devoted community of about 100 "Bergloper", who find here adventures and rest during their extensive underground walks. They also have a strong interest in protecting these also very important cultural objects. At the walls of many veins are drawings from the past centuries. Images of death and the devil, from marriage and work, of war and military.
Therefore the hidden entrances to the mines, locked since 1994, will not be disclosed. And yet, accidents happen again and again. In 1993 two boys disappeared through a bat passage into a mine and were found dead after three weeks. And recurrent breakdowns in the rock not only finished the lives of several workers, but also the business of most of the mushroom farmers, which used the mines in recent decades.