Nein, Entschuldigung, ich mache hier keine Fotos. Wie könnte ich denn. Auf der anderen Seite des Eingangstores steht ein aggressiver Wachmann, der nur wenige Momente benötigte, um die Machtverhältnisse klar zu machen. Also gut, keine Fotos von dieser höchst aparten Schlossruine, auch wenn die Fahrt vom Rheinland bis hierher eine vierstellige Kilometerzahl bedeutet hat. Es ist 2010 und ich bin frustriert. Vor einem Jahr war es wohl noch problemlos möglich hinein zu kommen - und nun ist ein Wachdienst installiert, der mit Hund auf Streife geht.
2017 stehe ich erneut am selben Tor. Der Wachdienst ist noch immer da, stört sich aber nicht am Geschehen vor dem Haupttor. Dafür erkenne ich nun Überwachungskameras an den wachdienstlichen Containern. Diese kubischen Metallkonstrukte stehen sehr adrett positioniert genau vor dem Gebäude und "verschönern" damit fast jede Ansicht. Egal, aus welcher Richtung man schaut. Das gilt natürlich auch für die Insel im See, von der man den schönsten Blick auf die Schlossfront haben soll - wie ein Einheimischer verrät. Einen dritten Versuch werde ich wahrscheinlich nicht mehr starten, Schloss Koppitz gehört damit wohl endgültig zu einem jener Orte, deren Innenleben mir verborgen bleiben wird.
Schloss Koppitz ist im wesentlichen das Werk derer von Schaffgotsch. Seit gut 400 Jahren befanden sich sein Grund und Boden in wechselndem Adelsbesitz. Aus einem dort bestehenden Rittergut formten die Vorbesitzer schließlich ein klassizistisches Residenzschloss. In diesem Zustand wurde es 1859 von dem Montanindustriellen Hans Ulrich von Schaffgotsch und seiner Gattin erworben. Beide gehörten damals zu den 10 reichsten Einwohnern von Preußen. Innerhalb von nur 5 Jahren wurde das vorhandene Schloss im eklektizistischen Stil um- und ausgebaut. Das Ergebnis war ein auf drei Seiten von Wasser umgebenes Gebäude, das immer wieder als Märchenschloss bezeichnet wurde. Es war aber nicht nur das Schlossgebäude, welches beeindruckte: im Inneren beherbergte es umfangreiche Sammlungen von Skulpturen, Gemälden und Rüstungen. Im umgebenden Landschaftspark befanden sich Tempel, Pavillons, Brunnen und über 1300 lebensgroße Skulpturen.
1910 und 1915 verstarben die beiden Eheleute, ihr Sohn plante in den 30er Jahren Golfanlagen und einen kleinen Flughafen zu errichten. Das Schloss verblieb bis 1945 im Familienbesitz, es hatte den Krieg erstaunlicherweise unbeschadet überstanden. Die Besitzer flohen vor der anrückenden Roten Armee und ließen das Schloss mit seinem gesamten Inhalt zurück. Von Februar bis März 1945 diente es kurzfristig als Militärkrankenhaus und Kommandantur. Zwischen 1945 und 1946 wurden die Familiengräber in der Kirche und im Park geschändet. Anfang der 1950er Jahre wurde es dann als Pfadfinderlager und Ferienkolonie für Kinder benutzt. In den Folgejahren (1950-1956) kam es zu Plünderungen des Inventars und Teile im Erdgeschoss wurden als Lager landwirtschaftlicher Erzeugnisse (vor allem Getreide) genutzt.
Es gab zu dieser Zeit bereits den Verdacht, dass Getreide hinter dem Rücken des Agrarkollektivs verschoben wurde. Vor einer anstehenden Kontrolle brach am frühen Morgen des 7.Oktober 1956 dann an 4 Stellen gleichzeitig ein Feuer aus. Das Holzdach war zuvor mit Öl übergossen worden und aus dem Teich war Wasser entlassen worden - was das Löschen erheblich erschwerte. Das alles geschah mutmaßlich, um die Spuren des Getreidediebstahls zu vertuschen. Übrig blieb eine durch den Brand fast völlig zerstörte Ruine.
Durch Vandalismus folgten noch bis in die Gegenwart weitere Zerstörungen. Aus der Ruine wurde alles heraus geholt, was noch von Wert war. Fliesen, Böden, Öfen, Statuen wurden gestohlen, die alten Bäume im Park wurden zu Brennholz. Selbst vor dem Sarkophag von Joanna von Schaffgotsch machte man nicht halt, der ebenso aus der Krypta der Grabkapelle verschwand wie die anderen dort bestatteten Särge.
1990 kam ein sogenannter "Geschäftsmann" aus Krakau gegen einen geringen Geldbeitrag in den Besitz der Ruine. Die Gemeinde glaubte seinen leeren Versprechungen und zeigte sich großzügig bei den Bedingungen für die Ratenzahlungen. Aber nichts passierte, lediglich die Zerstörungen an den wenigen verbliebenen Statuen, Brunnen und Dekorationen gingen weiter.
2008 wechselte der Besitz für 2 Mio PLN an die Firma Zarmen. Das Grundstück wurde umzäunt und ein 24-Std-Wachdienst installiert. Auch dieses Mal gab es das Versprechen das Schloss zu rekonstruieren und es begannen dann tatsächlich einige Renovierungsarbeiten von etwa einem halben Jahr Dauer. Weit gekommen ist man damit aber nicht. Bereits im März 2009 distanziert sich Zarmen von den vorherigen Restaurierungsplänen und ändert das eigene Geschäftsfeld. Schon Anfang 2014 steht das Schloss wieder zum Verkauf.
2015 ist nur scheinbar ein Jahr der Veränderung: zwar wechselt der Besitz zu einer Immobilienfirma - aber diese gehört zum Firmenverbund von Zarmen. Anfang 2016 - der Kaufpreis ist inzwischen auf 6 Mio PLN gestiegen - wird das Schloss wieder auf Zarmen zurück übertragen.
Im Januar 2017 stand wieder ein Besitzerwechsel an - die Firma Globucor aus Luxemburg gab unter großer Medienteilnahme an, hier ein Deutsch-polnisches Museum errichten zu wollen. Aber Globucor ist in Wirklichkeit nur ein 2-Mann-Unternehmen mit völlig unzureichendem Eigenkapital. Die Medienaktivitäten sollen primär zahlungskräftige Investoren und Banken von einer Mitfinanzierung überzeugen. Im April zerstreiten sich die beiden Firmeninhaber und gehen auseinander. Bis zum Herbst muss Globucor 8 Mio PLN aufbringen, denn noch ist in Wirklichkeit Zarmen weiterhin Eigner der Anlage. Wie schon fast zu vermuten, scheitert dieses Vorhaben.
Im März 2018 steht ein neuer Aspirant für das Schloss vor der Tür. Der Preis ist wieder auf 2 Mio PLN gesunken, der Besitzer in spe will sich erst gar nicht an einer Restaurierung versuchen, sondern die Ruinen erhalten und Schloss und Park für Besucher zugänglich machen. Behördliche Bedingung für seine Pläne ist eine Sicherung des Geländes. Nur: durch den Park führt eine von Bauern genutzte Privatstraße, die sich nicht sichern lässt. Die Besitzer der Straße schließen einen Verkauf kategorisch aus, das Vorhaben einer Umnutzung von Park und Schloss ist damit gescheitert.
Ein Jahr später ist Schloss Koppitz wieder auf dem Immobilienmarkt erschienen - nun wieder für satte 6 Mio PLN. Willkommen in der Zeitschleife ...
sehr umfangreiche Informationen und Bilder von Janus M. Skop auf Kopice.org
Drohnenvideo
Video: Schloss und Ruinen im Park (2015)
Wikipedia
Fotos aus dem Jahr 2004
englischer Text