Als kleiner Junge fuhr ich ungezählte Male an der JVA entlang. Die Strassenbahn, die meine Mutter und mich in die Innenstadt brachte, rumpelte an ihr vorbei und ich starrte mit bangem Blick hinüber, wo die "bösen Männer" waren. Gesehen habe ich sie höchstens hinter den Scheiben der "grünen Minna", wenn diese wieder einen Gefangenentransport durchführte. So blieb die JVA, die hier jeder unter ihrem anderen Namen kennt, für mein Leben lang ein weisser Fleck in meiner Heimatstadt. Später fuhr ich dann selbstlenkend an ihr vorbei und war genervt, wenn wieder einmal die Straße abgesperrt wurde, weil Terroristen, Islamisten und wer weiß wer sonst noch zum nahen Gerichtsbunker gebracht wurden. Als dann die JVA Anfang 2012 geschlossen wurde, erwachte die Hoffnung, einmal hinter die Mauern schauen zu können. Ein Ausstellungstermin im März 2012 brachte nicht die erhofften Einblicke, die Schlange vor dem Eingang war zu lang, der Andrang zu groß.
Dann passierte erst mal lange - nichts. Dass es in der Urbexszene ein "Prison 19" gibt, bekam ich zwar mit - aber nicht, dass es vor meiner Haustür liegt. Die Besucher, die es vor Monaten besichtigen konnten, beneide ich. Damals noch ohne Schmierereien und Vandalismusschäden. Das ist inzwischen anders. Nun bin auch ich endlich einmal dort gewesen - aber wie so oft in letzter Zeit zu spät. Kaum eine Wand ist noch ohne Graffiti, die Orgel in der Kapelle wurde zerstört und von der Empore gestoßen. Und die Brandspuren darunter sprechen eine eindeutige Sprache.
Der Gefängnis-Komplex soll abgerissen werden und einer Wohnbebauung weichen. Der südliche Abschnitt wurde bereits veräußert, aber mit dem eigentlichen Areal geht es nicht voran. Die Kirche wird als einziges Gebäude erhalten bleiben, für Sie macht sich ein Verein stark, der dort ein Kulturzentrum errichten will. Und ausgerechnet in diesem Gebäude wird nun gezündelt. Ich habe ein schlechtes Gefühl, wenn ich sehe, wie die JVA sich selbst überlassen wird.
Ob die wenigen Hinterlassenschaften in den Zellen authentisch sind, ist mitunter schlecht zu sagen. Ein "Kevin" hat im Jugendhaus idiotischerweise seinen Klarnamen an der Wand verewigt - eine kurze Recherche stellt fest: es gibt ihn wirklich und er ist wirklich ein Idiot. Aber auch die Kunst hat ihre Spuren geschaffen, zahllose Klebestellen an den Wänden zeugen davon. TV-Teams von WDR und RTL haben hier für den Tatort und eine Knastserie gedreht - so manche Beschilderung könnte auch von ihnen stammen.
Nachtrag Januar 2017:
Nach langem Hin und Her ist nun der Abriss besiegelt. Im Laufe des Jahres 2017 werden mit Ausnahme der Kapelle alle Gebäude abgerissen.
Ulmer Echo - Foto Galerie
Knast.net - Hotelführer
Abriss der Ulmer Höh' beginnt im Februar
KUH Kunstverein Ulmer Höh'
Studie blickt hinter die Knastmauern "Ulmer Höh“ im Nationalsozialismus (report-d, Juni 2021)
englischer Text