Die Firmengeschichte von Holtz & Willemsen hat ihren Ursprung im niederrheinischen Hinterland. Im ländlich geprägten Kreis Viersen-Süchteln pachtete 1792 der Müller Holtz eine schon seit Jahrhunderten bestehende Wassermühle. Seine Familie erwarb weitere Mühlen und investierte fortwährend in aktuelle Technologien. Ende des 19. Jahrhunderts gingen die landwirtschaftlichen Erträge zurück und reichten nicht mehr für die Speiseölproduktion aus Leinsaat (Flachs) und Rübsamen. Daher wurde 1889 ein neuer Produktionsstandort unmittelbar am Rhein gesucht, der nun direkt über Schiffe aus dem Ausland beliefert werden konnte.
Fündig wurde man in Uerdingen, wo ein Komplex mit Laboratorium, Kessel- und Maschinenhaus, Gärraum und Spirituslager, Retortenturm, Elevator am Rhein und Bahnanschluss zum Verkauf stand. Dort musste nämlich nach einer verheerenden Maisernte eine Fabrik zur Herstellung von Industriealkohol Konkurs anmelden. Diese Fabrikationsanlage - die vormalige "Uerdinger Actien-Spritfabrik" - erhielt ihren neuen Namen nach den beiden Gründern der "Offene Handelsgesellschaft Holtz & Wilemsen" (Kommerzienrat Franz Holtz und der Ölmüller Reinhard Willemsen). Umgangssprachlich wurden die "Holtz & Willemsen Ölfabriken" jedoch meist als "Howinol-Werke" abgekürzt - dies war der Produktname einer dort hergestellten Magarine. Neben Lebensmittelfetten wurden zuerst vorrangig industrielle Lacke, Öle und Fette hergestellt. Die Produktion stieg soweit an, dass ein zweiter Fabrikteil mit Gleisanschluß an anderer Stelle in Uerdingen gebaut wurde.
1901 kam es zu einem Großbrand, der einen großen Teil der Verarbeitungsanlagen zerstörte. Trotzdem konnte sich das Unternehmen entwickeln, es modernisierte, expandierte und besaß 20 Jahre später einen hervorragenden Ruf als Anbieter von Speiseölen.
Die Familie Holtz etablierte sich auch im großbürgerlichen Leben von Krefeld. Der deutsch-nationale Edmund Holtz war in den 30er-Jahren aktiver Kommunalpolitiker und nach dem Krieg für einige Monate kommissarischer Bürgermeister von Uerdingen. Während des 2.Weltkrieges wurden bei Howinol auch Zwangsarbeiter beschäftigt, bei einer Bombardierung wurde ein Lagergebäude zerstört. Die Produktion wurde dadurch nicht unterbrochen.
Die Lage am Rhein erwies sich auch nach dem Krieg als vorteilhaft. Die Sojabohnen aus den USA wurden zumeist mit Schiffen von Rotterdam über den Rhein angeliefert und dann in den Gebäuden am Flußufer zwischengelagert. Zeitweise wurden auch angelieferte Rohöle (z.B. Fischöl) schon im Lagergebäude mit dem charakteristischen Turm vorverarbeitet, dort befanden sich Filterpressen. Die weitere Verarbeitung zu Öl durch Extraktion mittels Leichtbenzin fand dann in einem anderen Werksteil an der Lange Straße statt. Sojabohnen wurden Tag und Nacht mit Spezial-LKWs dorthin gebracht, für den Transport der Rohöle standen eigene Kesselwagen am Gleisanschluß zur Verfügung. Das als Viehfutter verwertbare Soja- und Rapsschrot wurde dann wieder mit LKW zum Rhein transportiert, in Säcke verpackt und bis zur Verschiffung erneut zwischengelagert. Das Rohöl wurde zur Raffinerie gebracht, wo Speisefette und -öle, sowie die bekannte Magarine gewonnen wurden.
Ein eigener Frischdienst brachte einen Teil der Ware dann zu den Kunden bis ins Ruhrgebiet. Weitere Transportstrecken (Österreich, Niederlande, Italien, Frankreich) bedienten Speditionen, so z.B. die benachbarte Müncker-Spedition, oder Kesselwagen auf dem Schienennetz.
Ende der 60er Jahre wurde der Druck durch internationale Anbieter immer stärker. Zu Beginn der 70er Jahre gab es noch einen Rechtsstreit zwischen der EG und Holtz & Willemsen, als eine Förderung italienischer Mühlen beschlossen wurde, die weit entfernt von Anbaugebieten für Rapsöl lagen. Holtz & Willemsen konnte damals auf eine ähnliche Situation verweisen und eine Revision des Beschlusses erzielen.
In den 70er Jahren geriet das Unternehmen trotzdem in Schieflage. Zu diesem Zeitpunkt gehörte es bereits der Duisburger Getreide-Import-Gesellschaft mbH. Der eingebrochene Dollarkurs und Spekulationen mit Sojabohnen brachen Holtz & Willemsen das wirtschaftliche Genick und es wurde beschlossen, das Werk in Uerdingen zu schliessen. Ostern 1978 begannen die Verhandlungen über einen Sozialplan, den Beschäftigten wurde gegen Zahlung von Abfindungen gekündigt. Das Anlagevermögen wurde ebenso wie betriebseigene Wohnhäuser verkauft. Eine Tochterfirma an der Lange Str sollte weitergeführt werden, die Pläne zerschlugen sich aber. Währenddessen wurde ein Teil der Lagergebäude neben der Verwaltung abgerissen. 1980 wurde das Uerdinger Werk endgültig geschlossen.
Links zur Historie:
Peter Burs: Geschichte der Industrie in Uerdingen
WZ: Edmund Holtz - durch Howinol berühmt geworden
Lokalkompass: Uerdinger Spritfabrik am Rhein
Die heutige Situation ist schon seit Jahren verfahren. Das Areal gehört verschiedenen Eigentümern, deren Interessen nicht unbedingt die Interessen der Stadt wiederspiegeln. Für einen Aussenstehenden sieht es ein wenig wie der Kampf zwischen David und Goliath aus. Auf der einen Seite gibt es millionenschwere auswärtige Investoren, die von der Stadt hofiert werden und den südlichen Bereich erschließen sollen. Der nördliche Abschnitt gehört einem lokalen Unternehmer, der schon seit Jahren mit der städtischen Verwaltung im Clinch liegt. Die Medienberichte aus jüngerer Zeit legen nahe, dass es bald zu einem neuen Bebauungsplan und einer Umsetzung der Vorhaben kommen könnte.
Wer ausreichend Zeit hat, kann sich über die folgenden Links einen Überblick zu diesem Bebauungs-Krimi verschaffen:
Die Projekte:
Projekt Rheinblick (nördlicher Teil)
Projekt Rheinblick (südlicher Teil)
Das Medienecho in chronologischer Reihenfolge:
aktuelle Linkliste des Bürgervereins
Juli 2011: "Oberverwaltungsgericht erteilt Projekt Rheinblick Absage"
August 2011: "Howinol-Gelände: Kulturstätte am Rheinufer"
Mai 2013: "Rheinblick - das unterschätzte Juwel"
August 2013: "Bordell-Antrag bremst 60-Millionen-Invest"
September 2013: "Österreicher will Howinol entwickeln"
März 2014: "Uerdingen: Bauaufsicht schließt Howinol-Gelände"
März 2014: "Rheinblick: Siegel wurde aufgebrochen"
Juli 2014: "Rheinblick wird zum Renner"
Juli 2014: "Kölner hat Interesse an Howinol-Areal"
Juli 2014: "Howinol-Areal: Eigentümer denkt nicht an Verkauf"
April 2015: "Rheinblick jetzt mit Pufferzone"
Juni 2015: "Rheinblick - die Planungsverlierer"
August 2015: "Rheinblick - 2019 sollen die ersten Mieter einziehen"
September 2015: Rheinblick-Investor wirft Currenta Stimmungsmache vor"
englischer Text