Regelmäßig radelte ich damals auf meiner Trainingsstrecke an einem Backsteingebäude vorbei, das etwas hinter Bäumen versteckt am Straßenrand lag. Auf dem Hof davor standen mal mehr, mal weniger LKW herum. Ein Firmenschild konnte ich im Vorbeiradeln nicht ausmachen und so wunderte ich mich nur etwas darüber, was das denn nun für eine Fabrik sei. Neugierig geworden, schnappte ich mir irgendwann (vermutlich 1993 +/- 5 Jahre) eine Kamera, fasste mir ein Herz und ging nachschauen.
Damit wurde die alte Fabrikhalle zu einer der frühesten Orte, die ich mir mal näher angesehen habe. Viel zu sehen gab es nicht, allerdings habe ich mich nach heutigen Maßstäben auch nicht allzu gründlich umgesehen. Etwas surreal erschien mir der dort eingelagerte Karnevalswagen der ex-Prinzen. Ob der noch auf seine Abrüstung wartete oder auf einen Einsatz im Folgejahr? Als eher bedrückend empfand ich die sanitären Anlagen, die ich als fast unwürdig ansah. Allerdings durfte ich selber noch schlimmeres erleben, als ich wenig später einem Semesterferienjob in einer Keramikfabrik nachging. Offenbar herrschten in der Branche eher rustikale Arbeitsumgebungen vor.
Beeindruckt hat mich auch eine offenbar letzte Nachricht eines früheren Mitarbeiters, die an ein Tor gepinselt war: "30.3.1980 letzte Schicht v. Karl Sassmannhausen - seit 23 Jahren hier tätig - hat bis zur letzten Minute seine Pflicht getan".
Inzwischen ist mir bekannt, dass Ratingen-Lintorf auf eine solide Industriegeschichte zurück blicken kann. Heute vermutet der durch Lintorf Durchreisende kaum noch ein Erzbergwerk oder eine Fabrik für Motorroller oder Waschmaschinen. Und so war die besuchte Halle auch nur noch der Rest eines früher deutlich größeren Werks.
Angefangen hatte es 1898 mit der Gründung der Fabrik für Ziegel- und Tonprodukte der "Gewerkschaft Adler". Bereits 1901 musste festgestellt werden, dass wegen der Qualität des verwendeten Tons die Produktions- und Umsatzziele nicht erreicht werden konnten. Bereits 1902 wurde Konkurs angemeldet.
Der weitere Verlauf der Standortnutzung ist mir in Einzelheiten nicht bekannt. Möglicherweise war die "Tonwerke Lintorf GmbH" in der Folgezeit Eigentümer der Fabrik. 1934 zog dort die neu gegründete Steinzeugröhrenfabrik ein und produzierte bis 1943 vorwiegend Wasserrohre. Kriegsbedingt wurde die Produktion für einige Jahre ausgesetzt und erst Mitte der 50er Jahre wieder aufgenommen. In den Aufbaujahren bestand ein großer Bedarf nach Rohren für die Kanalisation und der Betrieb florierte. Entscheidend für die Produktqualität ist dabei auch die Qualität des Ausgangsmaterials - das offenbar in den 70er Jahren den Ansprüchen immer weniger genügte. Die Firma Hoff verließ den Standort Lintorf und produzierte woanders weiter.
Bis dahin hatte es bereits Rückschläge gegeben - so fiel 1971 eine der großen Hallen (auf der historischen Ansicht die Halle links) den Flammen eines Großbrandes zum Opfer. Die zweite kleinere Halle wurde nach dem Wegzug der Firma Hoff von einer Spedition genutzt und stand schließlich lange Zeit leer.
Das Gelände war im Gespräch für den Neubau des Vodafone-Campus, der aber dann auf dem Gatzweiler-Areal in Düsseldorf errichtet wurde. 2013/14 wurde die alte Halle abgerissen und eine Zustellbasis von DHL erbaut.
Gewerkschaft Adler (Dachziegel-Archiv)
Lintorfer Gewerbegebiet: Kahlschlag für Logistiker DHL (WZ Mai 2013)
englischer Text