Im folgenden verwende ich hier den alten, für mich viel leichter zu schreibenden Namen - von der Aussprache mal ganz abgesehen. Schon die Anfahrt auf Schloss Grunau war von einer gewissen Skepsis geprägt. Die Besonderheit lag nämlich hinter dem unscheinbaren Äußeren: ein von einer hölzernen Balustrade umgebener Innenhof. Aber schon im Vorfeld war zu vernehmen, dass es wohl keinen Zugang gäbe. Und trotzdem war die Enttäuschung groß, als sich diese Vorab-Information bewahrheitete. Über ein mehr als schmuddeliges Loch hätte man sich vielleicht tief in das Gebäude hinein gleiten lassen können. Aber wie dann wieder zurück? Wir verzichteten auf diese Erfahrung. Erst bei der Bearbeitung der Fotos fiel mir auf, dass dort unten offenbar so etwas eine Behelfsleiter lag. Nun gut, man kann nicht immer gewinnen. Einige Jahre später sitze ich nun da und lese mehr über die Geschehnisse rund um Schloss Grunau. Und damit wird es dann in der Neuzeit doch noch unerwartet interessant - weshalb ich dort etwas mehr in die Details gehe.
1592 bekam Andreas von Jerin, seines Zeichens Hofrichter im der damaligen Residenzstadt des gleichnamigen Fürstentums Neisse, das Gut Grunau aus bischöflichem Besitz zugeteilt. Vorteilhaft war sicherlich, dass der Fürstbischof gleichzeitig sein Onkel war und das Renaissance-Schloss zwischen 1593-1594 für ihn erbauen ließ. Die Familie Jerin stammte aus Schwaben - ebenso wie Jahrhunderte zuvor Ulrich von Augsburg, der dort eine religiöse Verehrung erfuhr. Von daher mag es nicht verwundern, dass in der Grunauer Schloßkapelle der heilige St.Ulrich verehrt wurde. Die Kapelle erhielt schon zwischen 1594 und 1609 einen Freskenzyklus mit insgesamt über 80 Wappen von Adelsfamilien aus dem Fürstentum. Ein einzigartiges ikonografisches Dokument, das sonst nirgendwo in Schlesien zu finden ist und die Stellung von Grunau als Zentrum bischöflicher und landesherrlicher Macht betonte. Nach 15 jähriger Arbeit schrieb der unbekannte Maler das Fertigstellungsdatum in den Putz neben den Altar gegenüber dem Kapelleneingang. Diese Wappen gerieten über einen langen Zeitraum in Vergessenheit und wurden erst bei Renovierungsarbeiten 1904 und 1920 wieder entdeckt.
Das Schloss bestand von Anfang an aus drei Flügeln, die einen Innenhof hufeisenförmig umrahmten. Nach aussen war es durch Wälle und einen Wassergraben geschützt. Der Standort des Gebäudes wurde wohl nach dem Vorhandensein von gesundem und mineralienhaltigem Quellwasser gewählt. Je zwei Quellbrunnen befanden sich innerhalb und außerhalb des Gebäudes. So nützlich dies in der Vergangenheit war, so problematisch ist es in der Gegenwart. Im Keller soll das eisenhaltige (Quell-)Wasser weiterhin austreten und inzwischen zwei Meter hoch stehen. Vor dem 2.Weltkrieg galt das Wasser angeblich als "heilig" und wurde in Flaschen verkauft. Es wurde früher auch zur Tränkung von Vieh verwendet, was aber wegen seines Eigengeruchs wieder beendet wurde. In unmittelbarer Ortsnähe wurde ein Stausee angelegt - ich könnte mir vorstellen, dass dies auch einen Einfluß auf den Grundwasserspiegel gehabt hat.
1730 wurden Grunau und umliegende Ortschaften an die Familie von Strachwitz verkauft, die auch den Bischof von Breslau stellte. Und jener Bischof war es, der Schloss Grunau dem Bischof von Neisse / Nysa stiftete, unter dessen bischöflicher Krankenhausverwaltung es nun gelangte. In dieser Zeit wurde das Schloss zum ersten Mal umgebaut.
Der zweite Umbau im 19.Jhdt. brachte den vierten Gebäudeflügel mit der Destillerie, so dass nun ein rundum geschlossener Innenhof entstand. Das Schloss wurde nun wirtschaftlich genutzt. Auch zierte noch ein mittiger Turm die Frontseite, dieser existiert heute nicht mehr.
Nach dem 2.Weltkrieg und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung erging es dem weitgehend unbeschädigtem Schloss Grunau wie vielerorts üblich: die lokale LPG (Panstwowe Gospodarstwo Rolne) nutzte es nun als Büro, Kindergarten, Wohnraum für Arbeiter und deren Familien, sowie für gesellige Zusammenkünfte. Ein Gemeinschaftsraum erhielt eine Bühne, es wurde dort zum Tanz aufgespielt und auch der erste Fernseher des Ortes stand dort. 1955 erfolgte ein Eintrag in das Denkmalregister. 1973 war dies soweit noch Stand der Dinge.
Wann die LPG das Schloss verlies, ist nicht genau zu erfassen. Aber mit ihrem Auszug begann die Verwüstung: alles, was irgendwie zu gebrauchen war, verschwand nun (inklusive Böden und Dach) und der Rest wurde verwüstet.
Rettung nahte in den 1980er Jahren. Der Denkmalpfleger der Stadt Oppeln / Opole stellte umfangreiche staatliche Mittel zur Verfügung, so dass von 1987-1988 einige wichtige Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden konnten. Die alte aus dem 17.Jahrhundert stammende Dachstuhlkonstruktion aus Lärchenholz wurde von Spezialisten aus Maków Podhalanski gegen eine Konstruktion aus Kiefernholz ausgetauscht. Nach einjähriger Arbeit setzte eine Dachdeckerfirma aus Nysa das Werk fort und fertigte eine spezielle Konstruktion aus Kupferblechplatten an. Diese Platten wurden nur durch Biegungen - ohne einen einzigen Nagel - zusammen gehalten. 2.120 m² erhielten so ein neues Kupferdach. Zimmerleute folgten und restaurierten die hölzernen Umläufe des Innenhofes, einige Innenräume erhielten neue Decken. Doch dann ging das Geld aus und das Schloss blieb unter der Verwaltung der Agentur für landwirtschaftliches Eigentum (ANR) - was de facto bedeutete, dass es sich selbst überlassen wurde.
1997 wurde das Schloss als Gegenleistung für verlorenes Eigentum den Gebrüdern Marek und Zbigniew Paprocki aus Prudnik als Entschädigung überschrieben. Das Dach war ja bereits fertig, nun hätte die Renovierung im Inneren beginnen können. Aber es kam anders, vom Dach ist nichts mehr geblieben. Was war passiert? Die Paprockis hatten offensichtlich keine Geld mehr für die Renovierung und kümmerten sich nicht um das Anwesen.
Fünf lokale Anwohner aus Siestrzechowice witterten wohl ein gutes Geschäft: sie kletterten hinauf in den Dachstuhl und rissen dort mit Eisenstangen systematisch die Kupferbleche von 0,5x2m heraus. Zuhause oder im Wald wurden diese dann zerlegt und als Altmetall verkauft. 300 m² Dachfläche verschwanden innerhalb eines Jahres für einen Erlös von 13.000 Euro. Wie lange sie dieses Treiben fortsetzen konnten, ist mir nicht bekannt. Sie wurden geschnappt und 2001 zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Aber damit nicht genug: im März 2004 vollendeten Mitarbeiter der Eigentümer das Werk: sie räumten den Rest des Kupferblechs ab mit der Begründung einer erneuten Renovierung. Die Renovierung blieb aus, die Bleche blieben verschwunden und Wasser drang wieder in das Schloss ein. Decken stürzten ein, der Pilz machte sich über die Fresken her.
Damit endeten die Rückschläge aber keineswegs. Das nächste Ungemach stand dem Schloss in Form von Schatzsuchern bevor. Ihr Tun hinterließ weitere Schäden: durchlöcherte Wände, aufgerissene Böden, beschädigte Schornsteine. Am Ende sollen tatsächlich ein paar Ausländer etwas mitgenommen haben, so wird gemunkelt.
Ende 2006 war es damit vorbei. Die Rettung erschien in Person eines Australiers mit polnischen Wurzeln. Artur Brzozowski hatte Schloss Grunau zu einem angeblich lächerlich niedrigen Preis gekauft - umgerechnet derzeit etwa gut 15.000 Euro. Lange konnte er sich nicht an seinem Besitz erfreuen, er starb einige Monate später und vermachte das Schloss seinem Sohn. Bis dahin hatte sich eine Tante Brzozowskis aus Breslau um Grundschutzarbeiten für den Bau gekümmert, die aber chaotisch verliefen.
Im Herbst 2007 war ein Presseartikel erschienen, der sich des Themas Fresken und katastrophalem Gebäudezustand annahm. Dies rief den Landesdenkmalpfleger auf den Plan, dem gegenüber die neuen aus Australien eingeflogenen Eigentümer verpflichtet wurden, die notwendigen Reparaturen rasch durchzuführen. Monatelang passierte nichts, der Regen drang weiter ungehindert hinein. Im Februar 2008 fiel nächtens der gesamte Putz von der Decke im Kapellen-Vorraum. Im März sollte dann endlich die Dachreparatur beginnen. Aber erst einen Monat später ging es los, eine Breslauer Firma fing an das Dach mit Teerpappe zu flicken. Aber nicht dort, wo es am notwendigsten war - nämlich über der Kapelle - sondern auf der gegenüberliegenden Seite. Das Arbeitstempo war mehr als schleppend, nach 3 Monaten waren erst ein paar dutzend Quadratmeter abgedeckt. Anfang Juni gab es eine Kontrolle durch einen Vertreter des Eigentümers - er fand vor Ort ein komplett betrunkenes Renovierungsteam vor, die Leute lagen in den Ecken und schliefen ihren Rausch aus. Es wurden Beweisfotos gemacht und die Arbeiter der Baustelle verwiesen. Der auftragnehmenden Firma in Breslau wurde gekündigt.
Sollte es das nun gewesen sein? Natürlich nicht, die Geschichte geht noch weiter. Denn dieses Unternehmen war im Vorraus mit der Gesamtsumme für die Dachsanierung bezahlt worden und sein Chef weigerte sich, den erhaltenen Betrag zurück zu zahlen. Nun rückten die der Baustelle verwiesenen Handwerker also erneut an. Ende Juni, nur wenige Tage nach der Wiederaufnahme der Arbeiten, bekamen sie Besuch von einem ex-Kollegen, der wegen dieser Sache entlassen worden war. Und schon wurden wieder einige Flaschen geleert, was jedoch verhängnisvoll endete. Der ex-Kollege fiel mit über 3,2 Promille Restalkohol im Blut vom Dach und überlebte schwer verletzt. Seine Kollegen liefen davon, die Arbeiten wurden nicht mehr fort geführt.
Im August 2009 waren bereits Teile der Dachpappe vom Winde verweht worden, der Regen lief noch immer über die Fresken. Zu ihrem Schutz wurde der darüber liegende Raum mit Blech abgedeckt.
2014 versuchte man die Fresken zu konservieren, was aber mißlang. Das Dach war noch immer undicht und ständig drang Feuchtigkeit ein. 2016 wurde Schloss Grunau wieder zum Verkauf angeboten, nachdem es in den vergangenen 10 Jahren durch den Besitzer nicht in Stand gesetzt wurde und weiter verfiel. Im Oktober 2017 - zwei Monate nach unserem Besuch - beschädigte der Orkan 'Gregory' das Dach so schwer, dass wieder verstärkt Wasser eindrang. Im Mai 2018 wurde es provisorisch repariert.
Im Sommer 2021 gab es dann wieder eine Neuigkeit: eine Familie aus der Ukraine ist nun im Besitz des Schlosses und hat mit Renovierungsarbeiten begonnen. Bis zum Jahr 2030 soll aus der Ruine ein Hotel werden. Besucher können mit etwas Glück einen Jungen im Ort finden, der mit viel Wissen und Leidenschaft Führungen mit ihnen durch das Schloss macht. Eine Immobilienanzeige im Netz, wo das Schloss für gut 150.000 EUR angeboten wird, ist undatiert und könnte ebenso von 2016 stammen oder aktuell sein.
Schloss Grunau bei Wikipedia
Muzeum Powiatowe w Nysie - Palac w Siestrzechowicach
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