Ich war vorgewarnt. Hätte es erahnen können. Und trotzdem ... da steht man dann an diesem Ort und kann es nicht fassen. Diese Verwüstung, diese Vandalisierung - offenbar geschehen aus der reinen Lust an der Zerstörung. Denn Sinn macht es nicht, wenn Zeugnisse technischer Kultur über und über zugesprüht werden, wenn kaum noch eine Fensterscheibe heil geblieben ist. Respekt vor dem handwerklichen Geschick, das einst diese Fahrzeuge erschaffen hat? Fehlanzeige, über einen halben Kilometer reiht sich hier Fahrzeug an Fahrzeug, keines davon blieb verschont. Nach zwei Stunden ist mir die Lust vergangen, wirklich schöne Fotomotive sind nicht mehr zu finden.
Der 750m lange Tunnel selbst ist ein Relikt einer Ende der 1970er Jahre geplanten Metro-Linie. Das Projekt TAU (Transport automatisé urbain) wurde aufgegeben, nachdem der Tunnel bereits fertig gestellt war. Der Plan der Streckenführung deckt sich allerdings nicht mit dem fertig gestellten Teilstück. Die Überlegung, den Tunnel als Parkhaus zu verwenden, scheiterte an den mangelnden Sicherheitsstandards. Seitdem diente er als Depot für ein Verkehrsmuseum, das hier z.T. nur noch als Einzelstücke erhaltene Objekte vor einer Restaurierung zwischenlagerte. Andere Busse oder Teile waren sicher als Ersatzteilquelle für die Restaurierung weiterer Ausstellungsobjekte vorgesehen.
Der Tunnel war in Urbex-Kreisen schon einige Jahre bekannt - aber noch nicht sehr verbreitet im Mainstream - bis er 2017 durch ein auf YouTube veröffentlichtes Video eine immense Popularität erhielt. Online-Magazine und soziale Netze sorgten für eine weitere Verbreitung. Die Folge davon waren stärkere Vandalismus-Schäden und als Konsequenz die Sperrung des Tunnels. Lüftungsgitter, durch die ein Einstieg möglich waren, wurden verschweißt und später durch Betonplatten ersetzt. Der Zugang erhielt ein massives Schloß und eine Video-Überwachung. Wann diese Sicherungsmaßnahmen durch Gewalteinwirkung ausgehebelt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Folge davon ist aber das Resultat, das sich heute dem Auge des Betrachters bietet.
Neuerdings (Stand Anfang 2019) wurden die Pläne für die Metro wieder ausgegraben, die Stadt erwog die Einrichtung einer Straßenbahnlinie, die auch durch den damals gebauten Tunnel fahren sollte. Angeblich wurden bereits 200 Mio. Euro als Bankenkredit gewährt. Das Museum hat in Folge dieser Pläne das Problem, sein Depot anderweitig einzurichten. Ein Problem, das angesichts dürftiger finanzieller Mittel noch nicht gelöst ist. Andererseits sind die Seiten zu dem Tram-Projekt aus dem Netz verschwunden - was die Spekulation ermöglicht, dass es auch diese Pläne nicht bis zur Realisierung schaffen werden.
Weiterführende Links in chronologischer Reihenfolge:
Video aus 1986
Fotos von Richard Huntjens (2013)
Fotos von Vault 114 (2015)
Kommentar von "Historischer Kraftverkehr" (2015)
TV-Bericht über Vandalismus im Tunnel (2017)
Vaeltax-Video von 2018
englischer Text