Die Schuhe versinken mit jedem Schritt in einem schaumig-schlammigen Bodensatz, der die leer geräumten Hallen bedeckt. Zumeist grau, manchmal aber auch gelblich oder rötlich gefärbt verheist er ein eher unappetitliches Vergnügen. Warnschilder warnen vor dem Betreten asbestbelasteter Bereiche. Kein angenehmes Klima, in dem ich hier wandel. Und so erstaunt es auch nicht, als nach nicht allzu langer Zeit nicht nur bei meiner Begleitung, sondern auch bei mir Kopfschmerzen einsetzen. Es ist an der Zeit, das ehemalige Fabrikgelände zu verlassen.
Büros und Direktoriumsgebäude sind bereits stark vandalisiert, aber so hier und da verbirgt sich doch noch das eine oder andere lohnende Fotomotiv.
Ich bin an einem alten Industriestandort der Wallonie, gut 130 Jahre lang wurde hier produziert. Die Lage am Fluß bot sich an um dort ein hydraulisches Walzwerk und eine Spinnerei anzusiedeln. Das Blechwalzwerk wurde 1883 gegründet, bis 1947 wurde dort Material zur Herstellung von Gewehren und Dampfmaschinen erzeugt. In der Zeit von 1947 bis 1961 entstand ein produktionsgesteigertes Werk der zweiten Generation, das nun mit petrochemischen Kraftstoffen betrieben wurde. 1961 fand erneut eine Umrüstung des Walzwerkes statt, so dass nun auch Kupfer verzinnt werden konnte und Aluminium galvanisiert und eloxiert werden konnte. Im Jahr 2010 wurde der Betrieb eingestellt, aber erst im Februar 2014 erfolgte die offizielle Bankrotterklärung der Betreiberfirma.
Zwischen Kläranlage und Fußballplatz gelegen und von einem teilweise offenen Bachlauf durchzogen, stellte das kontaminierte Gelände eine ständige Umweltgefahr dar. 2012 versuchte man sich bereits an einer Bestandsanalyse von potentiellen Risikofaktoren - und fand insgesamt 37 verschiedene Quellen für weitergehende Verschmutzungen der Umgebung. Es war schon damals Zeit zu handeln. Doch nach dem Bankrott geschah erstmal ein Jahr lang nichts.
Nachdem es in der Zwischenzeit zu Plünderungen durch Metalldiebe gekommen war und illegal Abfall auf dem Gelände entsorgt wurde, schlugen die Behörden im April 2015 Alarm und rieten dem Umweltminister zu handeln. Die galvanischen Bäder entließen bereits durch die Manipulation der Metalldiebe ihren Inhalt in den Boden, überall befanden sich leicht zugänglich Schwefel-, Salz- und Salpetersäre, Schwermetallsalze und Farbstoffe. Im gleichen Monat begannen Notfallmaßnahmen. Die Flüssigkeiten in den diversen Tanks wurden analysiert und inventarisiert. Bereits nach wenigen Tagen begann man mit dem Abpumpen von 18.000 Liter Schwefelsäure aus dem größten Tank, die Inhalte aus weiteren Tanks folgten unmittelbar. Bis zum 12. Mai 2015 dauerten die Entsorgungsmaßnahmen an, die Tanks wurden abgepumpt, Pulverfarbstoffe und andere gefährliche Abfälle beseitigt. Insgesamt 141 Tonnen diverser Schadstoffe.
Im Anschluß sollten die Gebäude zurückgebaut werden - wovon im Oktober 2015 noch nichts zu sehen war. Es erschien eher so, als ob die Sanierungsmaßnahmen zum Erliegen gekommen waren.
Nachtrag 2021:
Das Werk und sein "Chateau du Directeur" wurden inzwischen abgerissen.