Nein, dieser Ort ist nicht mystisch - er ist traurig, nicht mehr und nicht weniger. In Etzweiler steht noch ein gutes Dutzend Häuser, wie viele bereits zerstört sind, kann ich nicht beurteilen.
Es gibt hier keine Sonntagsruhe. Autos fahren ständig durch den Ort, Radfahrer passieren auf ihrem Sonntagsausflug die leeren Häuser. Aber: sind diese Häuser wirklich leer? Nein, in drei Häusern leben noch immer Menschen, die den sich nähernden Schaufelradbaggern des Tagebaus Hambach trotzen.
Hinter einer hölzernen Hoftür höre ich die knarzige Stimme einer alten Frau, die gerade jemanden etwas aus ihrem früheren Leben erzählt. An anderer Stelle umkreist mich ein kläffender und knurrender Hund, bis sein Frauchen erscheint und ihn zurückruft. "Hunde sind hier notwendig", erklärt sie. Und wieder ein Stück weiter verläßt eine alte Frau ihren Hof um ein Stück auf einem Acker spazieren zu gehen. Hinfort vom Ort, von den kaputten Häusern ihrer ehemaligen Nachbarn. Manche der Häuser stehen offen. Sie sind leergeräumt und mit Müll, sogar mit Sondermüll gefüllt. Hier scheint eine Grauzone zu existieren, in der jeder meint machen zu können, was ihm gefällt. Ohne staatliche Kontrolle. An einer Landstraße, die durch den Ort führt, fehlen mit einem Mal hundete von Steinplatten auf dem Fahrradweg - offensichtlich hat sich da jemand selbst bedient. Anarchie ist es, die nun den kleinen, ehedem bürgerlichen Ort erfaßt hat. Verständlich, dass sich die verbliebenen Einwohner mit Hunden zu schützen versuchen.
Die Kirche steht nicht mehr. Nur ihre Fundamente wurden im Dorf gelassen. Daneben ein ummauertes Areal mit mehreren kleineren rechteckigen Gruben. Vermutlich nicht der ehemalige Friedhof, dessen Tote nun woanders ruhen, sondern lediglich die Überbleibsel eines Spielplatzes. Trotzdem - ich überlege, was mögen nur die Lebenden fühlen, wenn schon die Toten gegangen sind?
Nachtrag 2017:
Zwei Jahre nach meinem Besuch wurden die Zufahrtsstraßen gesperrt, die letzten Bewohner hatten das Dorf verlassen. Die Bagger des Tagebau Hambach nagten aber bereits seit 2005 am Dorfrand. Kurz nach mir besuchte auch ein Redakteur des Eifelmagazins den Ort und beschrieb sehr exakt, was ich auch sehen konnte. Sein Artikel befindet sich unter den weiterführenden Links.
Dorf Etzweiler
Alexander Kuffner: Etzweiler - Tod eines Geisterdorfs (PDF)
KSTA: Wie der Tagebau ein Dorf verschluckte
No, this place isn't mythical - it is sad, not more and not less. About a dozen houses are remaining at Etzweiler, but I can't tell how many are already destroyed.
There is no sunday rest. Cars driving by permanently, cyclists pass the empty houses on their Sunday outing. But are these houses really empty? No, in three houses people are still living, who are defy the approaching bucket excavators of the coalmine Hambach.
Behind a wooden farmhouse-door I hear the rough voice of an old woman who just narrates something about her past life to a listener. Elsewhere I'm encircled by a barking and growling dog, until his wife appears and calls him back. "Dogs are necessary," she explains. And a little further an old woman leaves her yard for a walk on her farm's ground. Away from the village, from the destroyed homes of her former neighbours.
Some of the houses are open. They are empty and also full with garbage, even filled with special garbage. There seems to exist a grey area, in which everyone thinks he can do what he wants - without any control by the government. At a country road, which leads through the village, suddenly hundreds of stone slabs are missing on the bicycle path - apparently because someone has taken them in a kind of self-service. In the small, formerly bourgeois city anarchy has arrived now. Understandably that the remaining residents try to protect their homes with dogs.
The church is no more. Only the foundations were left in the village. In addition, a walled complex with several smaller rectangular pits. Probably not the former cemetery, whose deaths rest elsewhere now, but the only remnant of a children's playground. Still - I consider what the only survivors may feel if the dead are already gone?