Ein "Lost Place" ist dies gewiß nicht (mehr): bunte Lichtinstallationen, vom Tauch-Gasometer steigende neoprengewandete und beflosste Taucher, Konzertveranstaltungen, ein Hochofen als Aussichtsturm, Spielanlagen für große und kleine Kinder und nicht zuletzt ein gut besuchter Klettergarten des Alpenvereins. Wer hier Authentizität, Stille und Einsamkeit sucht, ist fehl am Platz.
Mit seiner bunten Mischung an Freizeitangeboten stemmt sich die alte Hütte gegen den Zerfall, die Erhaltungskosten können nicht allein von der Stadt Duisburg getragen werden.
"Landschaftspark Nord" - der Name allein negiert die Tradition des Ortes, merzt schon im ersten Anflug jeden Gedanken an die alte Funktion aus. DEN einen Namen schlechthin gibt es auch gar nicht: Emscherhütte, Hüttenbetrieb Meiderich, Hochofenwerk Meiderich-Nord, Hüttenwerke Phoenix AG, August-Thyssen-Hütte, Werk Hüttenbetrieb oder Hütte-Nord sind nur einige der häufig wechselnden Bezeichnungen - begründet durch einen ebenso häufigen Besitzer- oder Organisationswechsel.
Die Geschichte des Werkes nahm ihren Anfang in Erweiterungsplänen von August Thyssen in den 1890er Jahren. Ursächlich sollte die geplante Hütte mit einer Thyssen-Zeche zusammengeführt werden, nach deren Verkauf gelangte das neue Hüttenwerk aber in eine Hüttenwerk AG von Thyssen. Gebaut wurde vor Ort seit der Konzessionserteilung von 1901, die Erstinbetriebnahme von Ofen 1 erfolgte im Mai 1903. Die Hochöfen 1,2 und 4 waren bis 1904 fertig gebaut, Ofen 4 und 5 folgten 1906 und 1907. Es folgten weitere Aus- und Neubauten sowie seit 1906 eine erste Arbeitersiedlung.
Bestückt wurde die Hütte mit Erz aus dem Alsumer Hafen und mit Koks über eine Seilbahn von der Zeche "Deutscher Kaiser 4|8." Bereits 1910/11 wurde die Hütte um eine Gießerei ergänzt, 1923 folgte eine Walzengießerei.
Nicht immer waren alle 5 Hochöfen in Betrieb. Während des 1.Weltkriegs wurde wegen Rohstoffmangel zuerst ein Hochofen stillgelegt, ein weiterer folgte wegen Arbeitskräftemangel. 1916 waren wieder alle Hochöfen in Betrieb. Eine geregelte Produktion gab es aber auch in der Nachkriegszeit nicht. Im September 1923 kam es unter französischer Besatzung zu einem völligen Stillstand des Betriebs. Ursache war der Wegfall der Zulieferwege: die Bahnlinien waren gekappt worden und der Seilbahnbetrieb wurde eingestellt. Im Dezember konnte nach Verhandlungen der Betrieb wieder aufgenommen werden.
Während des 2.Weltkriegs mussten Frauen, französische und sowjetische Kriegsgefangene die Arbeit der eingezogenen Männer übernehmen. Das Hüttenwerk wurde ab 1942 Ziel alliierter Bombenangriffe. Mitte Oktober 1943 brach deswegen die Produktion zusammen.
Nach dem Krieg war die Hütte in Teilen zerstört, bestehende Werksteile extrem verschlissen, an eine rasche Produktionsaufnahme war erst mal nicht zu denken. Der Marschall-Plan der 1950er Jahre erlaubte dann zum Glück die Investition in Modernisierungen.
Ofen 5 wurde bis 1954 neu gebaut, 1956 folgte Ofen 1 und 1963 noch Ofen 2. Die 1950er und 1960er sahen einen Wirtschaftsaufschwung. Ofen 3 war schließlich so weit verschlissen, dass er 1968 stillgelegt wurde, das gleiche Schicksal traf zwei Jahre später auch Ofen 4. Die dadurch entstandene Lücke in der Reihe der Hochöfen ist auch heute noch gut zu erkennen.
Die Stahlkrise der 1970er Jahre und EU-Stahlquotenregelungen forderten ihren Tribut: trotz modernisierter Technik erfolgte Anfang der 1980er Jahre die Stilllegung der Öfen 1 und 2, im April 1985 folgte dann auch Ofen 5. Damit ging die Betriebszeit nach 84 Jahren zu Ende.
An dieser Stelle hätte der von einigen Seiten gewünschte Abriss der Anlage folgen können. Demontage und Erhaltungskosten wurden gegeneinander aufgerechnet, Bürger machten sich in Interessengemeinschaften stark für den Erhalt der Anlage, es entstand die "Deutsche Gesellschaft für Industriekultur e.V.". 1988 wurde die IBA (Internationale Bauaustellung Emscherpark) gegründet, 1989 kaufte NRW dem Thyssenkonzern das Gelände ab, 1992 beschloß die Stadt Duisburg den Erhalt der Industrieanlage. Zu diesem Zeitpunkt rückte die Emscherhütte vermehrt in die mediale Berichterstattung - vor allem wegen der Kletterer, die den Möllerbunker für sich entdeckt hatten. Im Juni 1994 wurde das Hüttenwerk an der Emscher offiziell als "Landschaftspark Nord" der Öffentlichkeit übergeben.
Rheinische Industriekultur (Schwerpunkt Architektur)
Zeitreise Ruhr (Schwerpunkt Geschichte)
Industriedenkmal (Schwerpunkt Fotografie und Industriekultur)
Landschaftspark (offizielle Website)
KuLaDig (Schwerpunkt Kulturhistorie)
Ruhrgebiet-Industriekultur (Schwerpunkt Touristik)
Größere Karte anzeigen