Vor den Toren Ratingens steht seit über 20 Jahren der Nachbau eines "eisenzeitlichen Gehöfts". Wer nun nicht völlig in Gedanken versunken dort vorbei schlendert, mag sich vielleicht fragen, was es damit auf sich hat. Info-Tafeln vor Ort klären darüber auf, dass diese Rekonstruktion auf der Initiative eines Vereins beruht und ihren Anlaß in nahen Ausgrabungen hatte. Die Lokalgeschichte befindet sich wie so häufig auch hier unter unseren Füßen - in diesem Fall sind es statt der Füße aber die Autos, die heute auf der A44 über die Relikte der Vergangenheit hinweg donnern.
Im Jahr 1989 fiel der Startschuß für den weiteren Ausbau der Autobahn A44 im Düsseldorfer Norden. Der Trassenverlauf sollte dicht an der Stadtgrenze von Düsseldorf-Rath zu Ratingen liegen. Im Vorfeld der Bauarbeiten konnten archäologische Grabungen vorgenommen werden und brachten beachtliche Ergebnisse ans Tageslicht. Neben den Überresten des ehemaligen Ritterguts Haus Heiligendonck und eines frühmittelalterlichen Brunnens waren dies vor allem die Siedlungsspuren aus der Eisenzeit.
Die Eisenzeit
Die Eisenzeit beschreibt ein kulturelles Stadium, bei dem Eisen als Werkstoff größtenteils die bis dahin verwendete Bronze ablöste. Die Entdeckung der Eisenverhüttung vollzog sich zuerst im Nahen Osten und verbreitete sich von dort über einen Zeitraum von 400 Jahren - u.a. nach Mittel- und Nordeuropa. In Mitteleuropa differenziert man dabei zwei Phasen: die frühere Hallstattzeit (800-450 v.Chr.) und die sich anschließende La-Tène-Zeit bis etwa zum Beginn der Zeitenrechnung. In die zweite Phase fällt auch die keltische Kultur.
Das Rheintal zwischen den heutigen Städten Düsseldorf, Krefeld und Ratingen war vor ca. 14.000 Jahren eine von zahlreichen Flußarmen durchzogene Aufschüttungsfläche, die als Siedlungsraum ungeeignet war. Die Menschen der damaligen Zeit lebten ein überwiegend nomadisches Leben. Das änderte sich im Laufe der Jahrtausende, nachdem sich zuführende Bäche ein eigenes Bett gruben und von den angrenzenden Höhenzügen ein stärkerer Lehmeintrag erfolgte. Für die Bronzezeit (2000-1200 v.Chr.) ist im Bereich der heutigen
Volkardey eine kleine Ansiedlung nachgewiesen. Der Weiler wurde vermutlich wegen häufiger Überschwemmungen und klimatischer Veränderungen wieder aufgegeben.
Erst in der älteren Eisenzeit gab es wieder eine nun flächendeckende Besiedlung, die zu den größten ihrer Art am Niederhein zu zählen ist. Diese bäuerliche Ansiedlung zählt zur "Niederrheinischen Grabhügelkultur". Erzhaltiger Sand aus Bachläufen wurde in mühseliger Arbeit ausgeschlämmt, danach geröstet, geschmolzen und geschmiedet. Die Ausbeute des so gewonnenen Erzes war gering und entsprechend wertvoll waren die hergestellten eisernen Gerätschaften.
Die Kulturlandschaft war offen, die Einzelgehöfte (kleinteilige Mehrhausgehöfte) oder Weiler verteilten sich locker. Dort wo die Böden eine intensive Nutzung nicht ermöglichten, gewann die Viehhaltung an Bedeutung. Auf wenig nutzbaren Bodenflächen in der Nähe der Siedlungen wurden Gräberfelder angelegt. Von den aus Holz und Lehm errichteten Hütten ist nach Jahrtausenden natürlich nichts mehr oberirdisch erhalten. Das einzige erhaltene eisenzeitliche Baudenkmal des Niederrheins sind die Befestigungswälle auf dem Hülser Berg bei Krefeld.
Im Umfeld des Grabungsbereichs wurde eine sogenannte Wandersiedlung mit mindestens 10 Hofplätzen ermittelt, ihre Fläche betrug etwa 1200x600m. Bestand hatte sie ungefähr über einen Zeitraum zwischen 700 und 500 v.Chr. Die einzelnen Gebäude waren nicht für die Ewigkeit gebaut, nach wenigen Jahrzehnten wurden sie verlassen und die Bewohner bauten sich an günstigerer Stelle in der Nähe ein neues Haus. Die auf trockenen, etwas erhobenen Sanddünen stehenden Hofanlagen waren nicht durch Zäune, sondern durch Wasserläufe begrenzt. Auf den staunassen Auenwiesen graste das Vieh: klein gewachsene Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, die ihren wilden Verwandten noch sehr ähnelten.
Die Hofstelle
Innerhalb des bei den Augrabungen gesichteten Weilers war es vor allem eine ganz bestimmte
Hofstelle, die einen recht kompletten Einblick in ihren Aufbau ermöglichte. Diese Hofanlage bestand aus vier unterschiedlich großen Gebäuden, die auf einer relativ niedrigen Sanddüne errichtet worden waren. Auf Grund der geringen Höhe war dieser Platz sicher stärker von Überschwemmungen bedroht und kein langfristig nutzbarer Siedlungsort. Auf drei Seiten wurde das Gehöft durch eine alte Bachschleife begrenzt.
Das gut 26m² große Haupthaus zeigte durch seine Pfostensetzung einen asymetrischen Aufbau, wobei seine südliche "Hälfte" den kleineren Abschnitt darstellte. Der Boden bestand aus Stampflehm, in ihm wurden Keramikscherben und Holzkohlepartikel gefunden.
Direkt neben dem Haupthaus wurde an seiner westlichen Seite eine ca. 2x4m große Grube entdeckt. In ihr lag in einer Vertiefung eine Herdstelle mit Kochsteinen. Dort konnten auch Teile eines Reibsteins aus Basaltlava identifiziert werden, der einmal zur Herstellung von Mehl gedient hatte. Vermutlich stammte dieser Reibstein aus dem Mittelrheingebiet - was auf Handelsbeziehungen zwischen diesen Regionen hindeutet.
Zwei weitere flache Gruben fanden sich in direkter Nähe zum früheren Bachufer. Es handelte sich dabei wahrscheinlich um Lehmentnahmestellen, die dann später als Waschplatz gedient haben. In der größeren Grube wurden Scherben gefunden.
Darüber hinaus verfügte die Hofstelle über weitere Gebäude. Zum einen zwei Hütten mit Lehmboden, die sich einen Eckpfosten teilten - zum anderen ein Speichergebäude auf 4 Pfosten, das etwas entfernt an einem Hang stand. Das hochgelegte Speicherhaus bot damit Schutz vor tierischen Eindringlingen und eventuellen höheren Wasserständen.
Die Kultstätte
Etwas abseits des Gehöftes stieß man auf eine kleine Sensation: eine Kultstätte, zu der es bis dahin keine Parallele auf dem europäischen Festland gab (lediglich von Irland war bis dato ähnliches aus
Dun Ailinne bekannt). Insgesamt 18 hölzerne Pfosten bildeten einmal einen Kreis von 16m Durchmesser. Innerhalb dieses Kreises wurden die Reste einer Feuergrube gefunden. Die Grube hatte eine Tiefe von ca. 50cm, die Wände dieser Wanne bestanden aus fest gebranntem Lehm. An zwei gegenüberliegenden Seiten befanden sich mit Lehm ausgekleidete paarweise angeordnete Kanäle, die sehr wahrscheinlich der Luftzufuhr dienten.
Ganz in der Nähe gab es einen durch Wassergräben geschützten Bereich, in dem sich Aschegruben befanden. Ihr Inhalt stimmte mit Überresten überein, die in der Feuergrube gefunden wurden (Holzkohle, Knochen, Keramikscherben, Metallfragmente). Zusätzlich beinhalteten sie zerschlagene Gefäße und Getreidereste. Auch hier fanden sich bei einer größeren Grube die Reste einer Pfostensetzung.
Ganz offensichtlich diente diese Anlage kultischen Zwecken, bei denen Brandopfer in Form von kleineren Tieren und Feldfrüchten dargeboten wurden. Ihre Überrreste wurden anschließend in den Aschegruben beigesetzt.
Der Eisenrennofen
Eine ungefähr 60cm durchmessende Grube wurde unmittelbar neben einem ehemaligen Bachlauf gefunden. Die Art der Wandung dieser Grube (keramisierte Tonschicht), die Zeichen der Hitzeauswirkung auf das direkte Umfeld (hellroter Auelehm), Asche- und Holzkohlereste sowie Schlackereste, die mit der Wandung verbacken waren - all das zeigte den Fachleuten, dass es sich hier um die Überreste eines
Schachtrennofens handelte.
Scherbenreste aus dem 6.Jh.v.Chr. im oberen Drittel der Grube ermöglichten eine Datierung. Es handelte sich hier also um eine lokale Verhüttung von Raseneisenerz, die aber wegen des schwachen Erzanteils des verwendeten Sandes nur eine relativ kleine Ausbeute geliefert haben wird.