Die Straße, die eigentlich gar keine ist, findet sich auf keiner Karte und in keinem Navigationssystem. Von gelegentlichen unpassierbaren Betonbarrieren abgesehen bietet sie ein besseres Vorankommen als die ausgewaschenen Wege, die parallel verlaufen und als Straßen klassifiziert werden. Was wie ein Anachronismus erscheint, ist die Hinterlassenschaft einer Bahnlinie, von der außerdem noch Tunnel, Brücken und alte Bahnhöfe zeugen.
Meine Tour führt mich nur ein kleines Stück entlang dieser Bahnstrecke - weitere Stationen in dieser weitläufigen Landschaft Mittelitaliens sind nur zu Fuß oder mit dem Trekkingrad zu erreichen. Zuerst fällt mir das "Haus des Cavalliere" auf. Ich nenne es so und weiß nichts weiter über seine frühere Verwendung. Ein Bauernhof war es nicht und doch steht es alleine mitten in der Landschaft. Ich vermute hier das Wohnhaus eines Schrankenwärters oder Bahnhofvorstehers. Ausser einigen Boccia-Kugeln mit Holzwurmbefall gibt es in seinem ausgebrannten Inneren nicht viel zu sehen. Seine Inschrift verweist auf Ettore Benini di Forli, den Gründer eines Bauunternehmens, welches für die italienischen Eisenbahnen tätig war.
Ein Stück weiter liegt dann schon der erste Bahnhof dieses Tages. Die Station von Civitella Cesi sieht von aussen sehr viel imposanter aus als von innen.
Nachdem mich die bereits erwähnten Betonbarrieren zu einem Rück- und Umweg zwangen, führte mich der Weg dann vorbei an einigen Wartungshäuschen und durch einen Tunnel zum Bahnhof von Monteromano. Zuerst ist mir mulmig, als ich statt sonst üblicher Wachhunde ein "Wachrind" erblicke. Aber dann stellt sich das Rindvieh zum Glück als friedlich und nur gelinde neugierig heraus und läßt mir meine Ruhe.
Monteromano war früher eine von zwei Stationen der Strecke, an denen eine zweite Dampflokomotive an die Züge angekoppelt wurde, um diese auf den Bergstrecken anzuschieben.
Zur Geschichte der Bahn von Civitavechia nach Orte:
1870 erste Pläne für eine Eisenbahn zwischen dem Hafen von Civitavecchia und den Stahlwerken von Terni
1893 Bau einiger weniger Kilometer
1917 Wiederaufnahme der Pläne
1921 Vertragsunterzeichnung zum Bau der Bahn zwischen Regierung und Bahngesellschaft "Società Elettro Ferroviaria Italiana"
1922 Beginn der Arbeiten von den beiden Endpunkten Civitavecchia und Orte. Probleme mit dem Baugrund erforderten eine Neukalkulation. 6 Jahre lang baut man an den eingleisigen 78 Kilometern, immer wieder konfrontiert mit Erdrutschen und Bewegungen des Untergrundes.
28.10.1929 Aufnahme des regulären Betriebs - allerdings ohne die vorgesehene Elektrifizierung der Strecke.
1935 wurde mangels Bedarf die 1.Klasse der Passagierzüge gestrichen, ab 1936 setzte man dieselgetriebene Schienenbusse ein.
1938 wurden 6km der Strecke bei Civitavechia mit Gleichstrom elektrifiziert.
WW II: Im zweiten Weltkrieg wurde die Brücke über den Mignone durch Bombardierung beschädigt und war erst 1947 wieder passierbar. Blindgänger blieben fast 50 Jahre im Flußbett liegen.
1950 ff.: In den 50er Jahren wurde auch die 2.Klasse schwächer frequentiert, die überwiegend ländlichen Fahrgäste bevorzugten die 3.Klasse. Der Bahn erwuchs nun Konkurrenz durch den verstärkten Bau von Straßen.
1960 ff.: Der östliche Streckenteil von Orte aus wurde auch durch die 60er Jahre hindurch für den Güterverkehr genutzt. Außerdem wurde die Strecke als Kulisse für Filmproduktionen entdeckt. Im Januar 1961 kam es nach tagelangen Regenfällen zu einem kleineren Erdrutsch. Er blieb ohne Schäden für Züge und Fahrgäste und wurde innerhalb weniger Tage beseitigt. Jedoch stellte nun ein Gutachten die Rentabilität in Frage, da eine millionenschwere Sanierung der Strecke gefordert wurde - was mit den schwachen Erträgen aus dem Bahnbetrieb nicht zu leisten war.
1970 ff.: In Folge wurde im Westen nur noch der äußerste Streckenteil bei Civitavechia bedient, bis dass Anfang der 70er Jahre auch dort der reguläre Betrieb eingestellt wurde. Proteste von Bürgern und Gemeinden blieben wirkungslos.
1983 wurde per Dekret eine Sanierung einer Teilstrecke sowie die komplette Elektrifizierung angeordnet.
1986-1993: Umfangreiche Arbeiten, Neigungen von Rampen und Krümmungsradien wurden geändert und 1994 war der Untergrund soweit vorbereitet, um mit der Schienenverlegung fortzufahren zu können.
1998 Finanzielle Schwierigkeiten stoppten den weiteren Ausbau, außerdem gab es inzwischen eine Neubewertung der Strecke, die empfahl, den Eisenbahnring um Rom zur Verbindung von Civitavechia und Orte zu verwenden.
Seit der Jahrtausendwende gibt es jedoch wieder ein erstärktes Interesse an der Strecke. Touristen könnten mit der Linie von den bei Civitavecchia ankernden Kreuzfahrtschiffen zur Toskana gebracht werden, die Stahlwerke von Terni erhoffen sich durch den Gütertransport eine verbesserte Wettbewerbsposition.
Bis es soweit ist, werden Teile der Strecke wohl weiterhin nur Wander- und Fahrradtouristen sehen.
Video: Die Strecke mit dem MTB befahren
Video: Drohnenflug über Luni sul Mignone
La ferrovia Civitavecchia - Capranica - Orte
Wikipedia (It.): Ferrovia Civitavecchia-Orte
La Ferrovia Civitavecchia-Capranica
Luni sul Mignone
Viaggio su una ferrovia che non c'è...
Rural rides in Central Italy
Video: mit dem Auto unterwegs auf dem gleichen Streckenabschnitt
The road, which is really none, can't be found on any map or navigation system. Apart from some impassable concrete barriers, it offers a better progress than the eroded parallel path, which is classified as a road. What seems like an anachronism, is the legacy of an old railway, of which also tunnels, bridges and old stations remained.
My trip takes me only to a small section of this railway - additional stations in this vast landscape of central Italy are only reachable by walking or mountainbiking. The first object, what I see, is the "House of the Cavallier." I call it that way due to an inscript, but I know nothing more about its former use. It wasn't a farm, even though it stands alone in the middle of the countryside. I suspect it was the house of the crossing-keeper or the station master. Except for some boccia-balls with wood worm infestation is not much to see in its burned-out interior.
Nearby is ht first station of this day: the station of Civitella Cesi looks much more impressive from the outside than from inside.
After the already mentioned concrete obstacles forced me to a return and a detour, I continued and passed some cottages for maintenance. Finally I reached the station of Monteromano through a tunnel. First I felt uncomfortable when I saw a "watchbull" instead of usual watchdogs. But at the end the cattle had a peaceful character, was only less curious and left me alone.
Monteromano was one of two stops of the trail, where a second steam locomotive was connected for pushing the trains on the mountain routes.
The history of the railway between Civitavechia and Orte in short (please look to the external links for further detailed informations):
1870 A railway between the port of Civitavecchia and the steelworks in Terni was planned
1893 Construction of some few kilometers
1917 Resumption of the plans
1921 Contract was signed for the construction of the railway track between the government and society "Società Elettro Ferroviaria Italiana"
1922 Start of work by the two endpoints Civitavecchia and Orte. Problems with the building required a recosting. 6 years were needed to build 78 kilometers ofn the one-track railway, repeatedly confronted with landslides and movements of the subsoil.
On 28 October 1929 started the regular operation - but without the planned electrification of the line.
During the Second World War the bridge over the Mignone was damaged by bombing and was passable again in 1947. Unexploded duds remained almost 50 years in the riverbed.
During the 50'ies the train came to the competition by reinforced construction of roads.
After days of rain in January 1961 a smaller landslide happened. It caused no damage to trains and passengers and was removed within a few days. But now some millions of Lira were searched for the renovation of the railway.
During the 70'ies only parts of the line were used for transport of passengers or goods - against protests of citizens and communities.
Between 1986 and 1993 extensive work was going on, slopes of ramps and curvature radii have been changed and in 1994 the ground was prepared to continue with the rail relocation. But in 1998 financial difficulties stopped the further expansion.
Since the turn of the millennium there is again a strong interest about the route. Tourists could use the line to travel to Tuscany from the cruise ships at the harbour of Civitavecchia and the steelworks in Terni hope for an improved competitive position by the transportation of goods. But at the moment only walking and cycling tourists use parts of the trail.