Durchfährt man im Sommer die ungeteerte Dorfstraße von Carlsdorf, fallen die vielen auswärtigen Auto-Kennzeichen auf. Sie zeigen, dass schon viele dem Charme der ehemaligen Landarbeiterhäuser erlegen sind und hier ihren Urlaub oder ihr Wochenende verbringen. Alles sieht recht schmuck und hergerichtet aus - bis man schließlich vor dem ehemaligen Gutshaus steht. Der Rasen rundum ist gemäht, jemand scheint sich also darum zu kümmern. An der hölzernen Eingangstür steht in händisch aufgetragener Schrift "Gebäude steht unter Denkmalschutz". Was wahrscheinlich einmal aufwertend gemeint war, ist inzwischen zu einer Anklage verkommen. Was nutzt es, wenn der Denkmalschutz keine Gelder bereit stellen kann und Investoren wegen starker Reglementierungen abspringen? Dann passiert letztlich das, was auch hier zu sehen ist: der Verfall geht seinen Weg, das Dach ist eingestürzt und im Inneren stapelt sich das zerbrochene Gebälk von Dach und Zwischendecken.
Und wenn nicht bald ein Käufer gefunden wird, stehen irgendwann nicht einmal mehr die eigentlich stabilen Mauern ...
Das neobarocke Gutshaus wurde wohl gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, Bauherr war ein Baron von Möller-Lilienstern. Seine Familie bewirtschaftete das Gut bis zum Jahr 1927. An sie erinnert noch immer das Wappen im Mittelrisalit. Das genaue Baujahr ist unbekannt und der im Internet häufig genannte Name des Architekten lässt sich laut Aussage der Denkmalschutzbehörde nicht bestätigen.
In den 1920'er Jahren etablierte sich dann eine moderne Landwirtschaft, die auch eine Versorgung aller Gebäude mit Gleichstrom einschloss. Produziert wurde Hundekuchen, Geflügel- und Fasanenfutter. Außerdem gab es eine Brennerei, in der ein "Eicognac" destilliert wurde. Von ihr kündet als letztes Relikt der "Eierturm", der etwas außerhalb der Dorfmitte steht.
Die Eigentümer wechselten in den 20'er und 30'er Jahren. Die Bewirtschaftung endete mit der Enteignung zum Ende des zweiten Weltkriegs. Im Gutshaus wohnten später Umsiedler und Flüchtlinge.
Eine Nutzung als Künstlerkolonie scheiterte am Widerstand des MfS.
Nachtrag 2017:
Das Gutshaus hat wieder eine Zukunft! Im Jahr meines Besuchs wechselte das Haus zu einem neuen Besitzer, der die Sanierung in Angriff genommen hat. Ich hatte nicht mehr geglaubt, dass dies noch geschehen würde. Bilder des sanierten Dachs gibt es unten in den Links.
Weiterführende Links:
Gut Carlsdorf
Ruinöses Gutshaus in Carlsdorf vor weiterem Verfall gerettet
Der Ort Carlsdorf
Künstlergemeinschaft Mecklenburg
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