Camille De Stoop war ein belgischer Textilhersteller, der in seiner Heimatstadt Kortrijk zwischen 1880 und 1888 zwei Textilfabriken errichten ließ. 1988 nahm seine Leinen-Weberei "De Stoop's Weverij" ihren Betrieb auf. Sehr schnell stellte sich der Erfolg ein, die Firma agierte exportorientiert und belieferte englische Handelshäuser, die wiederum über Reedereien das gesamte englische Empire belieferten. So fand sich die Leinenwäsche nicht nur in Haushalten, sondern auch in der Hotelausstattung und den Liegestühlen von Kreuzfahrtschiffen, bei denen sie nach jeder längeren Reise ersetzt wurden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts suchte De Stoop ein neues Geschäftsfeld in einer zunehmend unruhiger werdenden Welt. 1906 wurde die verkehrsgünstig direkt an einem Kanal liegende Spinnerei in Betrieb genommen. In dem im Manchester-Stil errichteten Gebäude wurde mit Maschinen aus England Baumwollgarn produziert. Für Fabriken im Manchester-Stil waren ausgelagerte Maschinenhäuser typisch, in denen die Dampfmaschinen betrieben wurden. Hier in Kortrijk waren die Maschinen in dem kleinen Gebäude mit Satteldach untergerbracht, das sich links vom Hauptgebäude befindet. Staub und andere gasförmige Abgase wurden über den Turm entsorgt, der mit einem Flachdach ausgestattet ist. 1926/27 wurde das Fabrikgebäude erweitert.
In den beiden Weltkriegen erlitten die Stoop-Fabriken Schäden durch Beschlagnahme und Brand. Die Nachfahren von Camille de Stoop beschlossen nach dem 2.Weltkrieg dem unruhigen Europa den Rücken zu kehren und siedelten 1952 zusammen mit 20 Weberfamilien nach Australien um. 1959 erfolgte eine Umbenennung der Fabrik in "Europaspinnerij", aber schon 1960 endete die Betriebszeit der Baumwollspinnerei in Kortrijk. Im August 1961 brach ein Großbrand aus. Einige Jahre danach wurde das Gebäude vorübergehend von einem Großhandel für chemische Erzeugnisse der Textil- und Metalindustrie genutzt, der seine Aktivitäten jedoch 1985 an einen anderen Standort verlegte.
Die Weberei und Spinnerei war bei meinem Besuch im Mai 2005 bereits seit langem komplett entkernt. In den Innenräumen hatten sich Sprayer ausgetobt, Spuren von Drogenkonsum waren zu finden. Das Hauptgebäude mit seinen drei kleinen zinnenbewehrten Türmen sollte bald umgebaut werden und dann mehrere Lofts enthalten. Drei Jahre später war bei einem zufälligen Wiederholungsbesuch davon nicht viel zu sehen, die Umbauarbeiten waren noch immer nicht wesentlich weiter voran geschritten.
Nachtrag 2017: Bereits 2009 erhielt ein Architekturbüro einen Preis für die Konversion der Spinnerei - die Arbeiten hatten folglich einiges an Tempo aufgenommen. Heute ist die ehemalige Spinnerei ein gut saniertes Wohn- und Bürogebäude..
Loft-Projekt vom Architekturbüro Bart Vandekerckhove
Le Chateau Industriel (Seite 6 ff.)
historische Ansicht (1950)
englischer Text