Kniehoch - manchmal sogar hüfthoch - stapelt sich der Müll in diesem Anwesen. Mit einem derartigen Zustand hatte ich nicht gerechnet. Es kostet Überwindung sich dort einen Weg hindurch und hinüber zu bahnen, der Untergrund ist alles andere als stabil und stetes Abrutschen prägt die wackelige Gangart. Und trotz aller Vorsicht schlitze ich mir dann doch irgendwann an einer zersprungenen WC-Keramik nicht nur die Hose auf. Nur gut, dass meine Begleitung aus einer examinierten Krankenschwester besteht. Aber waren die Fotos das denn wert?
Die Familie Bolly gehörte früher zu den alteingesessenen Honoratioren des Ortes, sogar eine zentrale Straße wurden nach ihr benannt. Eine standesgemäße Unterkunft scheint da nur angebracht gewesen zu sein. Um das Jahr 1870 herum entstand in Ortsrandlage ihre Villa mit Nebengebäuden. Es war also noch die Zeit der Pferdekutschen statt von Automobilen. Von daher nehme ich an, dass die Nebengebäude nicht nur zur Unterbringung des Personals dienten, sondern auch als Stell- und Lagerplatz für Kutschen, Pferde und Futtermittel. Davon ist in der Gegenwart nicht mehr viel zu verspüren, manche Räume sind bis unter die Decke mit Altreifen zugestapelt, scheinbar willkürlich verteilt liegen auf dem Grundstück Autowracks herum. Sofern diese nicht im Vorfeld hinsichtlich Betriebs- und Schmiermitteln präpariert waren, dürfte sich daraus auch eine Umweltbelastung des Bodens entwickelt haben.
Die Familienchronik der Bollys endet 1982 ohne weitere Nachkommen, wer Besitzer des Anwesens ist, weiß also nur die örtliche Verwaltung. Und die hat seit geraumer Zeit ihre Probleme mit dem Grundstück und seinem Eigentümer. Zwar gibt es regelmäßig Interessenten für das Grundstück, der Besitzer will aber nicht verkaufen.
Irgendwelche Sanierungspläne hatte er aber auch nie verfolgt, stattdessen das Anwesen für Ablagerung von diversem Müll mißbraucht. Die Stadt ist dagegen auf dem Rechtsweg vorgegangen, de facto hat sie aber keine Änderung der Zustände erreicht. Eine zweite Strategie - den Eigentümer über Steuernachzahlungen zum Einlenken zu bewegen - hat auch nicht funktioniert: seit 1994 ist er dem Finanzamt nicht mehr bekannt, da er seitdem keine Steuern mehr bezahlt hat. Und so spiegelt sich dieses Chaos auch in den Gegebenheiten rund um die alte Villa wieder.
Wie es auch gehen kann, zeigt sich im Nachbarort Seraing-Le-Chateau, wo das verfallene Chateau inzwischen wieder hergerichtet wird.
Triste spectacle à Verlaine: la fameuse villa du notaire Bolly est pillée et remplie de déchets
Château Chapon (Waasland-Video, Januar 2019)
Maison du Notaire Bolly (LostPlaces.com, 2021)
Sammlung von Besuchsberichten
Old Iron II (Video, Januar 2015)
englischer Text