Das alte Hospitalgebäude ist ein zutiefst deprimierender Ort und offensichtlich ein regelrechter Drogensumpf. Vor rund 15 Jahren war das noch anders. Zwar war das eigentliche Hospital damals schon abgerissen, aber das denkmalgeschützte Torgebäude wurde von Anti-Kraakern bewohnt. Diese ermöglichten gegen einen zu verhandelnden Obolus eine Führung durch das Gebäude. Mangels Sprach- und Verhandlungskenntnissen war dieser Weg für mich nicht gangbar.
Und heute? Im Laufe der Jahre war zu beobachten, wie immer mehr Graffiti an den Fensterscheiben auftauchten, untrügliches Zeichen für ein Schlupfloch ins Innere. Das dieses Schlupfloch groß genug für einen LKW war, konnte ich mir nach früheren Inspektionsrunden nicht vorstellen. Aber so war es dann doch. Im Inneren waren die Folgen zu sehen: die meisten Räume wurden offenbar über Monate oder Jahre als Müllhalden benutzt, der Unrat stapelte sich wadenhoch. Wer auch immer hier wohnte griff nicht auf die öffentliche Müllentsorgung zurück, sondern entsorgte im Nachbarzimmer. Und mangels funktionierender Sanitärinstallation wurden auch diese Geschäfte mitten in den Räumen erledigt, ein kontrollierender Blick auf den Boden war bei vielen Schritten notwendig. Mein einziger Vorteil an diesem mehr als 30° heißen Tag war meine starke Erkältung, die mich nichts von alledem riechen ließ. In einem Raum stand ein Zelt, der Bewohner war nicht zugegen. An anderen Stellen fanden sich die Spuren vom Konsum harter Drogen. Selten habe ich einen Ort derartiger Trostlosigkeit erlebt, alles in einem ruft danach schnell wieder nach draußen zu gehen. Ein Elend der absoluten Art. Beim Verlassen dringen Stimmen aus dem Kellerraum. Zwei junge Männer sitzen dort rauchend und es sind sicher keine normalen Zigaretten in ihren Händen.
Das Hôpital de Bavière ist der wohl älteste Krankenhausstandort in Lüttich und geht auf eine Gründung im Jahr 1603 zurück. Die 400-jährige Geschichte hier wieder zu geben ist sinnlos, daher nur so viel: 1890 wurde auf dem heutigen Grundstück ein neues Krankenhaus eingeweiht, das den gestiegenen räumlichen Anforderungen entsprach. Auch die medizinische Fakultät der Universität Lüttich hatte hier ihren Standort. Mitte bis Ende der 1980er Jahre wurden die Anlagen erneut zu klein für die aktuellen Behandlungsansprüche und es kam zu einem Umzug zu zwei neu gebauten Klinikgebäuden - die Universität zog in den Süden Lüttichs, während das städtische Krankenhaus seinen neuen Platz auf dem Gelände der alten Zitadelle fand. Seitdem warten die Gebäude von Bavière auf eine neue Nutzung. 2007 wollte eine niederländische Investmentgesellschaft auf dem Gelände neue Wohnhäuser bauen, in Folge dessen wurden bis auf das Torgebäude, die Kapelle und das Institut für Stomatologie alle Gebäude abgerissen. Die aufkommende Finanzkrise ruinierte das Projekt und es blieb eine Brache inmitten der Stadt zurück. 2010 kam es dann zu Schäden durch einen Brand, dessen Spuren noch immer deutlich zu sehen sind. Inzwischen gibt es wieder neue Pläne: 450 Studierendenwohnungen, Kindergarten, Sportzentrum und Polizeistation sollen entstehen. Als Problem stellte sich aber der Boden der Brache dar - nach dem Abriss waren Baugruben mit toxischer Schlacke von Hochöfen verfüllt worden, um den Boden zu nivellieren. Die oberste Schicht soll nun wieder abgetragen werden, bis 2020 soll das gesamte Projekt umgesetzt werden.
Nachtrag Dez. 2017:
Der Dachstuhl ist am 1.Dezember ausgebrannt. Diejenigen, die für einen Abriß waren und dort einen Betonklotz errichten wollten, scheinen nun einen Vorteil zu wittern.
Wikipedia: Hôpital de Bavière
Né(e) à Bavière (Aktionsaufruf für Erinnerungsstücke)
Un nouveau projet pour l'ancien site de l'hôpital de Bavière à Liège
Les Augustines de l'Hôpital de Bavière
englischer Text