Wiese - die meisten Menschen verbinden damit wohl gute Erinnerungen und Gefühle (von Allergikern einmal abgesehen). Vielleicht war das im damaligen Schlesien ja der Grund gleich ein ganzes Dorf so zu benennen? Was auch immer der Anlaß gewesen sein mag, der an den grünen Niederungen des Goldbaches (Złoty Potok) gelegene Ort existiert schon seit 1262.
Vergangene Jahrhunderte
Die erstgenannten Besitzer des Dorfes war die dem niederen Adel angehörende Familie Füllstein aus Fülme im Weserbergland, deren Vertreter in Mähren verschiedene Ämter bekleideten. Als namentlich genannter Herr von Wiese wird für das 14.Jahrhundert Georg von Füllstein erwähnt.
Die verschiedenen polnischen Linien der Herrscherdynastie der (Niemodlinski-)Piasten sind schwer zu überschauen. Sie standen im Mittelalter auch an der Spitze des Herzogtums Oppeln und errichteten im 15. Jahrhundert eine gotische Burg in Wiese als lokalen Herrschersitz, von der aus sie über Prudnik und Umgebung herrschten. 1481 wurde Wiese dann das erste Mal auch urkundlich erwähnt, als die Schlesisch-Böhmisch-Mährische Adelsfamilie von Wierzbnów die Burg käuflich erwarb. Der nächste Besitzer war 1536 der bischöfliche Rat Gottfried Adelsbach aus Nicklasdorf.
Die mit Abstand längsten Besitzverhältnisse gehen allerdings an die schlesische protestantische Adelsfamilie Mettich, die dort zahlreiche Dörfer besaßen. Der Familienzweig Mettich-Tschetschau erwarb im Jahre 1592 zunächst nur einen Teil des Besitzes, die andere Hälfte gehörte einer Familie von Tabor. Schon nach kurzer Zeit wurden die beiden Teile zu Gunsten der Familie von Mettich-Tschetschau zusammen gelegt, das Dorf Wiese und seine Burg wurden damit zu ihrem Hauptsitz. Bis in das 19.Jahrhundert sollte es nun zu ihrem Familiensitz werden und erfuhr während dieser Zeitspanne zahlreiche Umbauten. Stilbildend waren dabei vor allem die Arbeiten um 1593 und zwischen 1615-1617. Damals entstand der Innenhof, umgeben von einem vierflügeligen zweigeschossigen Baukörper, der teilweise unterkellert war. Die Fassaden wurden mit Putzornamenten in Sgraffitotechnik geschmückt. 1605 wurde durch den katholischen Kaiser an Joachim Mettich der Titel Baron verliehen. Die Mettichs waren eine protestantische Familie, was ihnen 1629 Probleme bereitete. Kaiser Ferdinand II. bestand nun mit Nachdruck darauf, dass sich der Baron Mettich zum Katholizismus bekennen sollte. In Folge dessen wurde das Schloss im Ostflügel um eine Kapelle erweitert, die um 1840 herum wieder abgerissen wurde.
Die Tage der Mettichs in Wiese gingen in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts ihrem Ende entgegen. Im August 1825 verstarb "Carl Magnus Johann Nepomuk Franz Xaver Joseph Joachim Graf von Mettich, Freiherr von Tschetchau" und hinterließ seiner zweiten Ehefrau "Maria Anna Gräfin von Mettich (Gräfin Henckel Von Donnersmarck)" und seinen sich noch im Kindesalter befindenden Töchtern "Maria Antonia Josepha Gräfin von Mettich" und "Anna Antonia Josepha Gräfin von Larisch" etliche Schulden. 1829 verstarb auch die Mutter und die Schulden der Kinder übernahm der preussische General Peter von Colomb.
1840 wanderte Laka Prudnicka mitsamt weiterer Güter hinüber in den Besitz der Gebrüder von Choltitz. Johann Karl Sedlnitzky von Choltitz ließ noch im gleichen Jahr die Kapelle abreißen. Während der Märzrevolution von 1848 musste er Wiese / Laka Prudnicka wegen des dortigen Bauernaufstandes für einige Tage verlassen, kehrte aber wieder zurück und reformierte die dortigen Regeln für Leibeigene und Pachtbauern. Gut drei Jahrzehnte später wandelte sich das Erscheinungsbild des Schlosses. Zwischen 1875-1883 wurde es im neogotischen Stil renoviert und erhielt einen Erker, einen Kreuzgang, das Portal am Haupteingang und neben einem weiteren Türmchen vor allem den großen Turm mit quadratischem Grundriß. Der Garten wurde zu einem Park mit Teich und Panoramahügel umgestaltet. Die Ära der Choltitz in Wiese endete abrupt im März 1945, als die Familie von Landrat Hermann von Choltitz vor der heran rückenden Kriegsfront floh. Besitzer der Anlage war zu diesem Zeitpunkt der General Dietrich von Choltitz, der beim Abzug der Deutschen Truppen aus Paris die Zerstörung der Stadt verhinderte und es damit zu einiger Bekanntheit gebracht hat.
Die Zeit nach dem 2.Weltkrieg
Das verlassene Schloss wurde - nicht unüblich für die damaligen Verhältnisse - geplündert und verwüstet. 1953 wurden alle Gebäude vom Pferdegestüt Prudnik übernommen. Das Hauptgebäude wurde mit Büros ausgestattet. 1958 wurde das frühere Wohnhaus mit Backsteinmauern unterteilt, um dadurch Wohnungen für die Arbeiter des Gestüts zu schaffen. Die noch erhaltenen Putzornamente in Sgraffitotechnik aus dem frühen 17.Jahrhundert wurden 1973 konserviert, sind aber inzwischen weitgehend zerstört. In den 1980er Jahren residierte in den alten Gebäuden ein Hotel.
21.Jahrhundert
Schloss Wiese begann Probleme zu bereiten. Es war im Besitz der Agentur für landwirtschaftliches Eigentum (ANR), die es an eine Agentur für oder von Investoren verkaufte. Diese Agentur zahlte aber nicht und so fiel das Schloss wieder an die ANR zurück. Im Oktober 2006 gelangte Schloss Wiese im Rahmen einer Auktion für 250.000 PLN (ca. 55.000 EUR) an die Unternehmer Przemyslaw Krokowski und Maria Bodgani. Sie versprachen aus dem verfallenden Schloss mit seinen 53 Räumen ein Hotel und Konferenzzentrum zu machen. Aber nichts ist seitdem geschehen, die in den USA weilenden Besitzer haben keinerlei Konservierungs- oder Sicherungsarbeiten durchführen lassen. Krokowski wurde wegen der Nichteinhaltung des Vetrages zu einer Geldstrafe von umgerechnet ca. 655 EUR verurteilt. Weil dies - wenn wundert es - keinerlei Wirkung erzielte, wurde die Strafe nach einem Jahr zu 30 Tagen Haft geändert. Was aber jemanden, der auf der anderen Seite des Globus seinen Geschäften nachgeht, wohl wenig interessiert. Schreiben der Gemeinde mit steuerrechtlichem Inhalt liefen in's Leere. Die Gemeinde selbst ist zu arm um das Schloss instand zu setzen. Der Zerfall schreitet somit weiter voran. Auch der Versuch der Familie Choltitz wieder in den Besitz des Schlosses zu gelangen, ist erfolglos geblieben.
Die Bevölkerung bezeichnet Schloss Wiese inzwischen als Burg der Gehängten. Das Dachgeschoss scheint eine hohe Anziehungskraft auf Selbstmörder zu besitzen, mindestens 5 Menschen (Stand 2011) nahmen sich dort schon das Leben. Ihre Stricke baumeln noch immer von den Balken, wie auf einigen Videos und Fotos zu sehen ist.
Der Zugang zum Schloss scheint reine Glücksache zu sein. Nur dort, wo bereits ein Teil des Baukörpers zusammen gebrochen ist, öffnet sich schon mal ein Durchgang. Bei unserem Besuch war es uns entschieden zu heikel über nagelbewehrte Balken zu klettern, die jederzeit in Bewegung hätten geraten können.
Weiterführende Links:
Zamek w Łące Prudnickiej bei Wikipedia (POL)
Łąka Prudnicka (Ort) bei Wikipedia
Gräflich Wiese - oder die Theorie vom grossen Bluff
Zdjecia Bogdan Kurys - galeria fotografii
Sokoli Szlak - Bericht mit Innenaufnahmen
Opolankazpas - Bericht mit Innenaufnahmen (2015)
Palaceslaska - Bericht mit Innenaufnahmen (2009)
Fotopolska - historische Bilder bis Fotos von 2009
Videos:
Video: schöne Drohnen-Aufnahmen
Video: Palace Ziemi Opolskiej - Zespól Zamkowy - Laka Prudnicka (offizielle Begehung 2015)
Opuszczony Zamek Wisielców - Urbex-Video, vom Keller bis in den Turm (2018)