Cheratte in Westbelgien ist ein kleiner Ort mit einer langen Bergbautradition. Genau das machte bereits vor Jahrhunderten einmal den Wert der Region für den regierenden Adel aus. Am 18.April 1643 wurde der 1617 geborene Gilles de Sarolea der erste Baron von Cheratte. Er zeugte mit seiner Frau Catherine Piroulle nicht nur die stattliche Zahl von 11 Kindern, sondern ließ auch am heutigen Standort das erste Chateau errichten. Hochbetagt starb er am 9. Februar 1696. Später bauten seine dort wohnenden Nachfahren das Schloß des öfteren um, seine Grundsubstanz blieb aber erhalten.
Noch heute kann man auch im inzwischen verwilderten Garten einige Merkmale aus früherer Zeit wieder erkennen. Für das Jahr 1737 liegt eine Beschreibung vor, die einen schönen quadratischen Garten erwähnt, der von Mauern umgeben war und aus zwei Terrassen bestand, die ihrerseits durch eine steinerne Mauer getrennt waren. An einer Veranda standen lebensgroße Statuen von Jupiter und Juno, zu deren Füßen steinerne Löwen lagen. In der Mitte des Gartens gab es ein großes rundes steinernes Becken, das einen künstlichen Zufluß besaß. Das heutige Feuchtbiotop im unteren Teil des Gartens ist im übrigen nicht der Rest des früheren Teiches, sondern Folge einer fehlerhaften Entwässerung, die hier das Wasser auf dem abschüssigen Gelände sammelt. Die Gehwege waren umsäumt mit niedrigen Hecken und Lauben. Ein zweiter Garten war durch ein eisernes Tor verbunden, die Zufahrt zu diesem war gesäumt mit Obstbäumen - darunter eine bestimmte Birnensorte als Symbol feudaler Rechte. Das Anwesen dehnte sich bis zur anderen Maas-Seite aus, über die eine Fähre querte und Schloß und Stallungen miteinander verband.
Im 19. Jahrhundert wohnten noch immer Nachkommen der früheren Barone im Chateau von Cheratte, inzwischen verbrachten dort aber auch wohlhabende Bürger aus Lüttich ihren Urlaub. Um das Jahr 1900 herum hat dann M.Dujardin als letzter Nachfahre der Saroleas den Ort Cheratte verlassen.
Zeitweilig hat das Chateau auch zur Universität Lüttich gehört, die weitere Nutzung bleibt aber im Unklaren. Angeblich hat hier der Besitzer der benachbarten Zeche "Le Hasard" gewohnt, die 1977 geschlossen wurde. Der Niedergang des Hauses begann wohl mit dem ca. 1980 einsetzenden Leerstand - was sich in etwa mit dem Datum der Zechenschließung deckt. Gelegentlich haben Renovierungsarbeiten stattgefunden, der Garten wurde vom Wildwuchs bereinigt oder das defekte Dach mehr schlecht als recht repariert. Den weiteren Verfall konnten diese Maßnahmen nicht verhindern, das Dach ist noch immer undicht und das eindringende Wasser lässt die hölzernen Tragbalken der Etagen verfaulen.
Inzwischen gibt es wieder Pläne zu einer Restaurierung und der Weiternutzung als Wohngebäude für einkommensschwächere Schichten. Finanzierung und Rentabilität dieses Plans erschließen sich mir zwar nicht, allerdings wird man für die Lage zwischen Autobahnbrücke, Friedhof und heruntergekommenen Ort mit hohem Migrantenanteil wohl kaum finanzstarke Käufer finden können. Insofern wird dieser Plan wohl die letzte Möglichkeit darstellen, um das Gebäude noch zu retten.
weiterführende Links:
alte Ansichten
Aufräumarbeiten 2010 (PDF)
englischer Text