Mittelalterliches
Titelbild von Haithabu Titelbild von Haithabu

Haithabu - Handelsstadt im 9. und 10. Jahrhundert

Juli 2024


Museum und "Haithabu-1"

Bei einem Besuch von Haithabu kommt man in der Regel als erstes am Museum vorbei. Die Eintrittskarten können sowohl hier, als auch direkt am rekonstruierten Dorf erworben werben. Der Museumsbesuch ist daher nicht verpflichtend - aber empfehlenswert. Der Keller ist mit einem Kino ausgestattet, einige Exponate der Ausstellung zielen auf Interaktion mit den Besuchern ab und in einer Halle steht die Teilrekonstruktion der "Haithabu 1". Reste des Wracks wurden bereits 1953 entdeckt, es dauerte aber noch bis 1979 bevor man mit einer aufwändigen Bergung beginnen konnte. Zwei Jahre dauerte die Grabung, allein 6 Wochen benötigte man zur Bergung des Wracks.
Die "Haithabu 1" war ausgelegt für eine Besatzung von 60-70 Männern. Zahlreiche Verzierungen und die hochqualitative Verarbeitung deuten darauf hin, dass es einmal das etwa 30m lange Schiff eines lokalen Herrschers gewesen ist. Für seine Herstellung wurden einst Eichenstämme von über 1m Dicke benötigt, die zudem über 10m lang und verzweigungsfrei gewesen sein mussten. Mit Hilfe der Dendrochronologie konnte das Baudatum recht genau auf das Jahr 985 bestimmt werden.
Das Ende des Schiffs kam 1050 nach 65 Jahren. Es wurde mit brennbarem Material befüllt (Heu oder Reisig) und am Steg liegend in Brand gesetzt - wahrscheinlich um die Anlandung feindlicher Schiffe bei einem Überfall zu verhindern.
Im Schlick des Hafens wurden noch die Reste zweier kleinerer Boote geborgen und südlich des Halbkreiswalls entdeckte man in einem Bootkammergrab bereits 1908 die schwach erhaltenen Reste eines 15-18m langen Schiffs.

Wikingerhafen - Wikingerschiff. Archäologische Untersuchungen in Haithabu (Video 21 Min., IWF Göttingen 1985, hier in doppelter Länge)
The longship from Haithabu Harbour(Vikingeskibsmuseet Roskilde)



Halbkreiswall

Folgt man dem Weg vom Museum zur früheren Siedlung, passiert man einen auf der rechten Seite liegenden bewaldeten Moränen-Hügel. Auf seiner Kuppe bauten die Bewohner der frühen Siedlungszeit Haithabus eine Wallanlage. Diese "Hochburg" bot ihnen Schutz in einer Zeit, als der Halbkreiswall noch nicht angelegt war.
Über den Baubeginn und den Initiator desselben herrscht bis heute keine völlige Klarheit. Das 10.Jh. dürfte als gesichert gelten, die Datierungen reichen aber von 930 bis nach 950. Der Auftrag zum Bau des Walls wird entweder König Gorm von Dänemark oder seinem Sohn Harald Blauzahn zugeschrieben. Der Halbkreiswall wurde zudem unter der Regentschaft von Harald Blauzahn über einen knapp 5m hohen Verbindungswall mit dem Danewerk verbunden. Dieses Sperrwerk wurde seit dem 5.Jh. immer weiter ausgebaut.
Der Halbkreiswall erfuhr ganz ähnlich einen phasenweisen Ausbau. Anfänglich war er nur etwa 2m hoch, zum Ende etwa 7m. Ihn schützte zusätzlich ein 6m breiter Graben sowie weitere Gräben und ein kleinerer Wall in seinem Vorfeld. Der ca. 1,3km lange und weitgehend baumbestandene Wall um Haithabu kann in seiner ganzen Länge begangen werden.


Die Siedlung

Im früheren Zentrum des Ortes wurden einige typische Häuser nachgebaut - alle basieren auf ergrabenen Fundamenten und Relikten. Früher hätten sie allerdings nicht in dieser Kombination zusammen gestanden. Diejenigen, die als Schmiede mit offenem Feuer arbeiteten, lebten wegen der Feuergefahr etwas abseits der übrigen Bewohner. Ebenso dürften sich auch andere Gewerke und Gewerbe zusammen gefunden haben. In der Rekonstruktion steht tatsächlich nur ein Haus exakt an dem Standort, an dem seine Überreste gefunden wurden.
Im alten Haithabu verliefen einige Wege auf einem Untergrund aus Bohlen - auch solche für das 9.Jh. typische Wege wurden in der Rekonstruktion nachgebildet. Gegen Regen und Überschwemmung half auch die leicht erhöhte Bauweise der Häuser.
Dreh- und Angelpunkt des täglichen Lebens war der Hafenbereich. Zog man anfangs noch die Schiffe an das flache Ufer, wurde dies schon bald mit dem Bau von Stegen und späterer Landebrücken überflüssig. Die Frachtschiffe konnten nun bequem an- und ablegen. Die Landebrücken waren breit genug um darauf gleich mit den Waren zu handeln oder sie sogar zu lagern. Raub und Diebstahl waren nicht unüblich, ein waches Auge war für die Händler unabdingbar. Mit der Zeit wuchs nicht nur die Zahl der Landebrücken, sondern auch ihre Größe. Mangels geregelter Abfallentsorgung wurde der Hafen als Müllkippe genutzt und verflachte dadurch. Damit weiterhin Schiffe anlanden konnten, mussten die Brücken deshalb immer wieder verlängert werden. Bedingt durch Sturm- und Flutschäden war die nachgebaute Landebrücke im Sommer 2024 nicht betretbar.


Haus des Tuchhändlers (um 833)
Hinter dem Werkraum, in dem Waren und Webstühle lagern, schließt sich der Wohnraum an. Daran grenzt direkt und nur durch Flechtwerk getrennt ein kleiner Stall an. Gearbeitet wurde im Sommer auch vor dem Haus, bei schlechtem Wetter drinnen dann bei geöffneter Tür.
Haus der Händler (um 852)
Vor allem während der Sommermonate gab es während der Handelssaison ein Kommen und Gehen der Kaufleute. Manche legten mit ihren Booten schon rasch wieder ab, andere blieben länger und betrieben ihren Handel vor Ort. Dazu benötigten sie eine stationäre Unterkunft zum Wohnen und Lagern.
Haus 3 zeigt eine typische Zweiteilung: vorne lagerten die Waren, hinten wurde gewohnt und geschlafen. Das Besondere dieser Rekonstruktion sind die verwendeten kräftigen Rundhölzer, denn normalerweise wurden die verarbeiteten Baumstämme gespalten um Holz zu sparen. In der Dachkonstruktion wurden hier ganz unterschiedliche Holzarten verarbeitet.
Haus des Kamm-Machers (um 874)
Kämme aus Haithabu waren ein begehrtes Handelsgut in Nordeuropa - konnte man doch mit ihrer Hilfe der Verlausung entgegen wirken. Handwerker veredelten sie aus dem von Händlern bezogenen Rohstoff (Hirschgeweih).
Das Haus des Kamm-Machers hat drei Räume: Werkstatt, Wohnraum und Lager. In der Werkstatt mit Kuppelofen entstanden aus Knochen und Geweih die erwähnten Kämme, aber auch Spielsteine oder Nadeln. Der mittlere Wohnbereich war zugleich Küche und Schlafzimmer, auf den beidseitigen Podesten wurde gesessen und geschlafen.
Herberge (um 874)
Die Herberge entspricht konstruktiv dem Haus des Kamm-Machers. Die Rekonstruktion zeigt dabei eine spiegelbildliche Alternative. Ihr Dach liegt auf Balken über den Wänden auf, die seitlich wirkende Last wird durch schräge Außenstützen abgefangen. Die Rekonstruktion konnte sich neben Bodenresten auch auf Reste des Giebels und des Wand-Flechtwerks stützen und stellt damit eine Besonderheit dar.
Als Herberge bot solch ein Haus den angereisten Händlern eine Unterkunft, mit Hilfe von Herd und Backofen konnte auch eine größere Zahl von Menschen versorgt werden.
Haus des Schuhmachers (um 880)
Die kleine Hütte des Schuhmachers zeigt eine von den anderen Gebäuden abweichende Konstruktion. Die Wände bestehen nicht aus einem verkleideten Flechtwerk, sondern aus massiven quer liegenden Kanthölzern. Diese sind an den Gebäudeecken miteinander verzahnt. Normalerweise verwendete man dafür gut bearbeitbare Nadelhölzer. Mangels dieser Baumarten musste hier in Haithabu hartes Eichenholz verwendet werden.
Handwerkerhaus (um 882)
Verhältnismäßig simpel konstruiert: die für die Wände verwendeten Planken wurden verschieden lang zugeschnitten. Um einen gleichmäßigen oberen Abschluß zu schaffen, wurden sie unterschiedlich tief im Boden versenkt. Das Gewicht des Daches wird auf alle Bohlen gleichermaßen verteilt.
Halle (10.Jh.)
Die Halle ist das einzige rekonstruierte Gebäude in Haithabu, welches an seinem Originalstandort wieder aufgebaut wurde. Konstruktiv ist es relativ modern, die Wände bestehen nicht aus lehmverstrichenem Flechtwerk sondern aus aus teurem Holz. Auch die Größe des Hauses deutet darauf hin, dass sein früherer Besitzer wohlhabend gewesen sein muss.


Letzte Änderung: 07.02.2025 - 12:22
Quelle: www.lipinski.de/portfolio/haithabu/index.php
Abgerufen: 16.03.2025 - 23:43 Uhr
Dateiversion vom: 07.02.2025 - 12:22Uhr
Autor: Klaus Lipinski, Düsseldorf
Email: info(at)lipinski.de
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