In einem sumpfigen Wald Südschwedens liegt ein demokratisch legitimiertes Kulturgut des Zerfalls. Was man hier geschaffen hat, ist wohl einzig in seiner Skurilität. In der Schweiz wird sich so manch einer fragen, warum dies nicht auch mit Messerlis Autofriedhof in Kaufdorf möglich war. Aber der Reihe nach ...
Nachdem ich an einem der Vortage erst gegen Nachmittag vor Ort war und wegen des Besucherandrangs schnell das Weite suchte, hatte ich nun in den Morgenstunden den Platz einige Stunden lang für mich alleine. Und wie verwandelt dieser Ort nun war!
Bucklige Rostlauben tauchten wie schlafende Riesenschildkröten auf, eingehüllt in dunstiges Morgenlicht welches angenehm zusammenführte, was später durch die grelle Mittagssonne und harte Schatten zerschnitten sein würde. Ein paar Vögel waren zu hören und insgeheim bemerkte ich, dass jetzt nun nur noch ein verschlafener Åke Danielsson laut gähnend aus seinem Schuppen treten müßte, um die Stimmung perfekt zu machen. Das sind die Momente, für die es sich lohnt früh aufzustehen!
Dieser Autofriedhof reiht sich ein in eine Linie mit Chatillon und Kaufdorf. Er ist deutlich kleiner als der Platz in Belgien und enthält auch nicht so viele Autos wie Messerlis Schrottplatz. Die Wracks sind auch in einem deutlich schlechteren Zustand - fast überall fehlen die Motorhauben, Räder und Sitze. Intakte Scheiben haben ich keine mehr gesehen. Zerdrückte Dächer künden eher davon, dass hier auf den Autos herumgetrampelt wurde. Weshalb bekommen viele Menschen es einfach nicht hin, die Grenze zwischen Zerfall und Zerstörung zu begreifen? Was hier in diesem Waldstück geschehen soll, ist der unter Schutz stehende Verfall von technischen Kulturgütern. Es ist das natürliche Ende von etwas vergänglichem, das Menschen einmal geschaffen haben - vergleichbar dem letzten Abschnitt eines Alterungsvorgangs bei einem Lebewesen. In einer Gesellschaft, die auf die Wiederverwertung von Resourcen angewiesen ist und unter Platzmangel leidet, kann man sich diesen Luxus nicht leisten - die Entsorgung alter Autos hat dort durchaus ihre Berechtigung. Aber hier in der schwedischen Provinz konnte etwas entstehen, dass sich im Nachhinein als Glücksfall erweisen sollte. Eine bemooste Erinnerungsstätte, die uns die Kurzlebigkeit unserer technisierten Kultur vor Augen hält.
Entstanden ist der Platz durch die Tätigkeit von Åke Danielsson. In den 30'er Jahren begann er hier mit dem Abbau von Torf und baute sich aus gebrauchten Teilen seine eigene kleine Maschinerie (Zug, Schienen, Torfpresse,...). Nach fast 20 Jahren hatte die harte körperliche Arbeit ihre Spuren hinterlassen, außerdem hatte sich bei den Bauern der Umgebung sein technisches Geschick herumgesprochen. Und so wechselte Åke die Branche: er kaufte Schrottautos, schlachtete sie aus, handelte mit Ersatzteilen und reparierte nebenbei auch noch in seiner kleinen Werkstatt. Was nicht reparabel war, landete einfach rechts und links der Wege vor und hinter seinem Schuppen. Über Jahrzehnte hinweg entstand so eine von alten Volvos, Birken und Moos geprägte Melange aus Natur und Technik. Bis weit in die 80'er Jahre ging das so weiter. 1992 ging Åke in ein Altersheim, vor einigen Jahren ist er gestorben.
Damit endete das erste Kapitel der Geschichte. Woanders wäre nun auch gleich die ganze Geschichte zu Ende gewesen, nicht so aber hier. Nachdem sein Vater das Grundstück von Åke erworben hatte, begann ein jugendlicher Gymnasiast aus der Nachbarschaft über Jahre hinweg auf dem Platz aufzuräumen. Die lokalen Behörden verlangten aber den (unmöglichen) Abtransport der Wracks, die Sanierung des Bodens und wollten Åke eine kräftige Strafe aufbrummen. Das war der Moment, an dem sich zuerst lokale einflußreiche Personen zu Worte meldeten und den kulturellen Wert des Platzes anmahnten. TV und Presse wurden aufmerksam und verfolgten die jahrelange Auseinandersetzung zwischen Behörden und Befürwortern des Erhalts, der schließlich sogar die schwedische Regierung beschäftigte. Das Ergebnis ist nun, dass die Kommune den Platz bis zum Jahr 2050 so erhalten darf, einen Schutz als offizielles Denkmal gab es jedoch nicht. Nach dieser Zeit wird sehr wahrscheinlich nichts mehr auf dem feuchten sumpfigen Boden dem Rost standgehalten haben und die alten Autos werden auf natürliche Weise im Boden verschwunden sein.
In der an touristischen Sehenswürdigkeiten armen Gegend stellt der Platz nun ein Ziel dar, das in der Feriensaison von ganzen Familien angesteuert wird. Diese Publicity bekommt dem Autofriedhof leider nicht wirklich. Auch wenn kaum noch etwas an Ersatzteilen zu holen ist, kann man beim Vergleich älterer und neuerer Fotos feststellen, dass den Wracks immer mehr Teile fehlen - vorzugsweise Motorhauben. Åkes Werkstatt ist komplett durchwühlt, der Boden bedeckt von rostigen Metallteilen. Seine kleine Behausung ist vandalisiert, die Wände wurden aufgebrochen - als ob man dahinter einen Schatz gesucht hätte. Wer kommt bei der Hinterlassenschaft eines armen Schluckers nur auf solche Ideen? Der ausgewiesene formelle Schutz eines offenen Kulturplatzes nutzt wenig, wenn niemand die Bewachung übernimmt. Leider ein internationales Phänomen ...
Ulli Feuerstein - Die Geschichte von Ake Danielsson und Kyrkö Mosse
Göteborgs-Posten von Mai 2008: Bara skrot med kulturarvet
A swampy forest of southern Sweden hides an example of democratically legitimated cultural decay. That, what has been created here, is probably unique in its oddness. In Switzerland the people may ask themself why this isn't possible with Messerlis junkyard at Kaufdorf. But one by one ...
After a visit at the afternoon of one of the preceding days and my early turnout caused by too many visitors, I returned now in the early hours and had this place on my own for several hours. And how this place had transformed now!
Hunchbacked rust-buckets appeared like sleeping giant turtles now, wrapped in a hazy morning light, which pleasantly melted together, what later would be cut by the glaring midday sun and harsh shadows. A few birds could be heard and in my thoughts I missed only a sleepy Åke Danielsson loud yawning from his shed to create the perfect mood. These are the moments that are worth the early uprise!
This car cemetery falls into a line with Chatillon and Kaufdorf. But it is much smaller than the place in Belgium and has not as many cars as Messerlis junkyard. The wrecks are also in a much worse shape - almost everywhere hoods, wheels and seats are missing. Intact windows I have seen no more. Crushed roofs rather proclaim the fact that here somebody trampled on the cars. Why do have many people big problems to understand the simple difference between decay and destruction? What happens here in this forest is the decay of elements of technical culture, protected by the decision of the swedish people. It's the natural end of something that people once have created - comparable to the last phase of the aging process of a living organism. In a society which relies on the recycling of resources and suffers from a lack of space, you can not afford this luxury - the disposal of old cars is absolutely justified there. But here in the Swedish province something could develop that in retrospect would prove as a stroke of luck. A moss-covered memorial that keeps us in mind the impermanence of our mechanized culture.
The junkyard is the result of the work of Åke Danielsson. In the 30's years he started with the development of peat deposit and built small machines (train, rail, peat presses, ...) by himself from used machine parts. After almost 20 years the hard physical work had left its mark and also his technical skills had been spread among the farmes around. And so Ake changed his business: he bought scrap cars, extracted usable parts and dealt with those spare parts, also he repaired cars in his small workshop. What was not repairable was stored just on the right and left of the road before and behind his shed. Over decades the old Volvos, birch and moss, builded in that way a blend of nature and technology. This continued until late in the 80 years. 1992 Ake went into a nursing home, a few years ago from now he died.
Thus ended the first chapter of the story. Anywhere else the whole story would have been over now, but not here. After his father bought the land from Ake, a young high school student from the neighborhood began to clean up the court over the years. The local authorities demanded the (impossible) removal of the wrecks, the decontamination of the land and wanted Ake to pay a strong punishment. That was the moment when local influential persons piped up for the first time and reminded the cultural value of the place. TV and the press took notice and over years they followed the conflict between authorities and supporters, which employed even the Swedish government at last. The result is now that the community can hold the place until 2050, but not under the protection as an official monument. Probably after that date nothing will have resisted the rust on this swampy ground and the old cars will disappear in the soil.
Tourist attractions are rare at this swedish region and so the junkyard represents a target even for families during the holiday season. Unfortunately the publicity given to the automobile graveyard is not the best for this place. While there is nearly no car spare to use, you can see that the wrecks are missing more and more parts - preferably hoods, when you compare older and newer photos. Akes workshop is completely ransacked, the floor covered with rusty metal parts. His small dwelling is vandalized, the walls were broken up - as if somebody had searched a treasure behind them. Who gets such crude ideas in combination with such a poor man like Ake? The declaration of a cultural object makes less sense without a guard. Unfortunately, an international phenomenon ...