Bevor das Château de Farciennes zu einer Ruine verkam, hat es natürlich auch einmal bessere Zeiten erlebt. Erbaut wurde es ab 1637 im Maasländischen Stil durch Charles-Albert de Longueval de Bucquoy und war seinerzeit bekannt durch zwei Hecken von ca. 35m Höhe und eine sehr hohe Wasserfontäne. Dies verhalf ihm 1666 anläßlich der Garteneinweihung im Beisein von Ludwig XIV. ein wenig zu dem Ruf, ein "Le Petit Versailles du Nord" zu sein.
An der Stelle der heutigen Schlossruine hatte einmal eine mittelalterliche Burg gestanden, die dort durch eine Umleitung eines Flussarms der Sambre durch Wassergräben geschützt war. Die Gräben sind inzwischen verlandet, man vermutet unter der Erde aber noch die Reste einer alten Zugbrücke.
Im 18. Jahrhundert kam Graf Károly Jozsef Batthyány in den Besitz des Château de Farciennes. Er und seine Familie entstammten dem ungarischen Adelsgeschlecht Német-Ujvár, das ursprünglich in Siebenbürgen beheimatet war. Mehrere Familienmitglieder verstarben zwischen 1724 und 1742 und wurden in der 1627 eingeweihten Kapelle St.Jacques beigesetzt. 1851 wurde die Kapelle abgerissen, dabei entdeckte man unter dem Chor der Kapelle 5 Hohlräume mit Särgen. Das Besondere daran war nun, dass 4 der 5 Särge an der Stelle des Herzens von langen Nägeln durchbohrt waren und die Köpfe der Verstorbenen nach Osten ausgerichtet waren. Im Herkunftsland der Familie Batthyány war der Aberglaube an Vampire weit verbreitet und so übernahm man offenbar dortige Rituale auch mit nach Westeuropa, um sich dort vor Widergängern zu schützen. Der Fund dieser Nägel begründete die Legende der Vampire von Farciennes. Einer der Nägel mitsamt einem eingravierten Familienwappen befand sich noch lange im Archäologischen Museum von Charleroi, ist aber wohl inzwischen ebenso unauffindbar wie die vier anderen, die bereits zuvor verschwanden.
Die alte Legende in Zusammenhang mit einem ruinösen Gemäuer hat es fast zwangsläufig zur Folge, dass sich das Château de Farciennes einiger Beliebtheit in okkulten und "Geisterjäger"-Szenen erfreut.
Die weitere Geschichte des Schlosses war dann geprägt von mehreren Besitzerwechseln und einem steten Niedergang. 1809 gelangte das Chateau in den Besitz von Gabriel Scarsez, einen Anwalt aus Mons. Der Besitzer verschätzte sich aber bei den Unterhaltskosten und der Verfall begann. Teile des Parks wurden im Rahmen der einsetzenden Industrialisierung verkauft und für Fabrikanlagen genutzt. 1836 nahm eine Zuckerfabrik und Brennerei in den angemieteten Räumlichkeiten des Chateaus ihren Betrieb auf. 1839 wurde der Ostturm durch ein Feuer beschädigt. 1860 verwandelte sich das Chateau in einen Bauernhof: in den ehemaligen Ballsälen wurde nicht mehr musiziert, stattdessen fanden dort Kühe und Schweine ihren Unterstand. Der rechte Flügel des Chateaus fand sein Ende als Baumaterial, als das ihn der damalige Besitzer 1886 verkaufte. In den folgenden Jahren breitete sich das industrielle Umfeld aus, unterirdische Vortriebe verursachten durch Bodensenkung weitere Schäden in der Gebäudestruktur. Die Eigentümer investierten aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr in die Bausubstanz. Nachdem sie Ende der 1950er Jahre verstarben, wurde das Château de Farciennes 1962 zu kommunalem Eigentum.
2009 wurde es erneut als wallonisches Kulturerbe klassifiziert, aber erst 2017 wurde eine erste Tranche von Fördermitteln bereit gestellt. Nachdem inzwischen auch der Einsturz des linken Turms drohte, wurde dieser stabilisiert sowie ein Behelfsdach samt zweier Gerüste installiert. Die weiteren Maßnahmen sehen lediglich den Erhalt der Ruinen vor, jedoch keine Restaurierung. Der ehemalige Schloßpark soll wiederbelebt werden und das Gebäude wieder mehr in den Focus der Öffentlichkeit gelangen.
historische Ansicht mit den hohen Hecken
Les Vampires de Farciennes
Video: Zustand Anfang 2019
englischer Text