Die Carbonfabrik ist zwar inzwischen ein herunter gerockter Standort mit geringem Angebot an interessanten Fotomotiven, kann aber dafür mit einer brisanten Geschichte aufwarten.
Nicht allzu lange vor dem Besuch im Frühjahr 2018 lieferten diverse Urbexer sehr schöne Bilder aus einem gut erhaltenen Ambulanz-Bereich des Werkes. Dann kamen jedoch die Vandalen, es fanden besucherstarke Rave-Parties statt, die von der Polizei aufgelöst wurden und am Ende bot sich dann das Bild, welches ich dort vor fand. Zerstörung allerorten, Frust meinerseits und irgendwann fand ich dann sogar den Löwenzahn auf den Grünflächen interessanter als die zerstörten Innenräume. So kann es gehen, wenn man zu spät kommt. Es bleibt dann nur noch etwas aus der jüngeren Geschichte zu berichten.
Der Konzern SGL Carbon steckt seit einigen Jahren in der Krise und wehrt sich gegen das schwindene Geschäft mit Werksschließungen. Davon betroffen war auch das belgische Werk in Engis. Dort wurden Graphitelektroden hergestellt, die für das Stahl-Recycling in Elektrostahlwerken eingesetzt werden. Mit der Krise der Stahlindustrie und einher gehender Schließung der Standorte war auch die Zulieferindustrie betroffen. Im Januar 1999 mussten die Arbeiter am Standort Engis nach ständig sinkenden Verkaufspreisen und abnehmender Produktionskapazität erfahren, dass 130 von 154 ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Der Konzern gab den Plan bekannt, die Produktion an einen spanischen Standort zu verlagern, dessen Lohnnebenkosten und Abgaben um 43% niedriger lagen. Lediglich etwa zwei Dutzend Mitarbeiter sollten noch eine Recycling-Werkstatt fortführen.
Anfang 2014 rückte der Standort wieder in die Schlagzeilen der Presse. Aber dieses Mal ging es um Mord. Was war geschehen?
Der Standort war seit Jahren geschlossen, es gingen Umweltgefahren von ihm aus und so wurde eine großangelegte Sanierung beschlossen. Es fand sich eine Investorengruppe um Yves H., die eine Gesellschaftneugründung ("V Konzept Lux") plante und gegen eine 10%-Anzahlung das Firmengelände erwarb. Damit einher ging die Verpflichtung das Gelände zu räumen. Ende 2004 begann man mit den Abbrucharbeiten, die von Yves H. als verantwortlichem Manager betreut wurden. Das Geld, dass man mit dem Verkauf von Altmetall zu erwerben gedachte, sollte in ein neues Projekt fließen. Dabei fiel auf, dass von 5 abtransportierten Aluminium-LKW-Ladungen nur zwei abgerechnet wurden. Offenbar hatte Yves H. in die eigene Tasche gewirtschaftet und die Erlöse der Firma gegenüber unterschlagen. Nachdem der Projektleiter Manuel M. dies erfuhr, ließ er im März 2005 die Baustelle von seinen Sicherheitsleuten absperren. Vier Tage später wurde er vor seinem Haus in der Nähe von Lüttich durch zwei Kopfschüsse getötet.
Erst Anfang 2014 musste sich Yves H. mit drei Komplizen vor Gericht für diese Tat verantworten.
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